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Der Name der Welt

Der Name der Welt

Titel: Der Name der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Johnson
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Gespräch zwischen Vince und dem Barkeeper, war dort ein Amateur-Stripwettbewerb in vollem Gange. Amateurinnen mögen die diversen jungen Frauen hier ja gewesen sein, aber so, wie sie ihre Zigaretten küssten, als wollten sie ihren Lippenstift nicht gefährden, und ihre Handbewegungen kontrollierten, als wollten sie ihre langen falschen Fingernägel schützen, sahen sie mit ihren seidenen Morgenmänteln wie Profistripperinnen beim Pausemachen aus.
    Das Blippen der Video-Glücksspiele untermalte alles. Zur einen Seite hatten wir den Eingang zum Tanzwettbewerb, und zu unserer Rechten ging die Bar in einen hektargroßen Raum mit elektronischen Münzspielautomaten über. Ich sah keine Würfeltische, kein Roulette, nur diese Geräte, die wie junge Schwimmvögel klangen. Vince versicherte mir, im Hintergrund würden drei Tische betrieben, an denen man echtes Blackjack spiele.
    Kaum hatten wir unsere Drinks in der Hand, führte er mich, die ganze Zeit über die Schulter redend, ins Hinterzimmer zu dem Striptease, von dem er behauptet hatte, er interessiere ihn nicht. Er war kaum eins siebzig, aber ungeheuer massig und kompakt und pflügte zwischen den Tischchen hindurch wie ein Ozeandampfer. Allein schon im fast vollkommenen Dunkel seiner Silhouette zu folgen, vermittelte mir den Eindruck, dass ihm alles, worauf immer er im Leben losgegangen war, ausgewichen sein musste und dass er jetzt, sollte er beschließen, einfach weiterzugehen, glatt die gegenüberliegende Wand sprengen und, wenn auch sehr, sehr langsam, auf der anderen Seite herauskommen würde. Er gelangte an einen freien Tisch und setzte sich mit dem Rücken zur Bühne, wo eine Frau in nichts als einem String das Becken rotieren ließ und mit erhobenen Armen ihre Brüste schüttelte. «Zeig uns alles!», rief jemand, und einige stimmten ein, aber die laute Konservenmusik hörte abrupt auf, und die Frau tänzelte lächelnd und unter Verbeugungen von der Bühne.
    Während der nächsten zehn Minuten kamen zwei andere Frauen in voller Montur heraus und entblätterten sich ziemlich schnell bis auf den Tanga. Inzwischen redete Vince nicht gerade laut und deutlich, aber vernehmbar weiter. Viele seiner Bekannten, so schien er zu sagen, hatten ein unerklärliches Händchen für das Glücksspiel. «Oder nimm meinen Bruder. Dieser Arsch mit Ohren hat einfach ein Schweineglück. Was soll’s? Leute gibt’s. Wenn der sich ein Lotterielos kauft, ist es garantiert ein Treffer. Kein richtig großer, aber grade genug, dass er, also, er kommt dann mit zwanzig Losen und einem Sechserpack nach Hause und nibbelt genug von diesen Zehndollardingern frei, dass er die nächste Woche durchsaufen kann. Dann hockt er, von drei Bier sturzbetrunken, rum und erzählt so einen albernen Quatsch, dass ich dem Arsch am liebsten eine scheuern würde. Ich meine, ihn ohrfeigen, bis ihm das Blut aus den Augen läuft. Also, die Frage muss doch einfach mal beantwortet werden: Wie lange können zwei Typen, ich meine, zwei ausgewachsene Männer, in ein und demselben Wohnwagen zusammenleben? Der Wohnwagen hat Mom gehört, und sie hat ihn ihm vermacht, wenigstens steht das in ihrem Testament, aber mir gehört er genauso, das muss er doch wohl kapieren. Jedenfalls ist es so», sagte Vince, «dass die Menschen nicht dazu gemacht sind, auf engstem Raum zu leben. Du kannst drauf gedrillt werden, aber eines Tages knallst du dann vielleicht einfach jemand ab. Na ja, klar, beim Militär funktioniert’s, oder auch im Knast, aber da haben sie dich weggeschlossen und können dir leicht das Rückgrat brechen.»
    Ich bezweifle, dass mehr als ein Dutzend andere an den Tischen um uns herum saßen. Alles Männer. Mittelalt, mittleres Einkommen, Mittlerer Westen. Golfer. In diesem Zwielicht waren sie mehr eingebildet als zu sehen, aber ich fühlte mich von den Adepten einer geheiligten Mittelmäßigkeit umgeben, einer gepflegten Mittelmäßigkeit, die hinter Klostermauern unzugängliche Qualen verbarg. Keine Ahnung, wie ich mich genauer ausdrücken soll. Leute, Männer, stolz auf ihre Phrasen und doch voll hilfloser Poesie. Musik, die unterdessen ruckte, zuckte. Sich beinahe schüchtern windende Frauen.
    Vince verbrachte eine gute halbe Minute damit, sich eine Zigarette anzuzünden, während hinter ihm die Zeremonienmeisterin auf die Bühne kam. Es war eine kleine Asiatin oder Indianerin in einem schwarzen Hosenanzug, die jede Tänzerin noch einmal vorstellte – insgesamt waren es neun gewesen –, dann die Entscheidung

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