Der Name der Welt
Stunden in Riverside gewesen, eher weniger, war fix hinexpediert worden und kurz geblieben, um mich zusammenschlagen zu lassen, und nun wurde ich ebenso fix wieder durch die flache Landschaft zurückexpediert, durch die Felder und ihre makellosen, sterilen Reihen staubiger Erde. Irgendwie fühlte ich mich großartig. Aber mir brummte der Schädel.
«Ich habe Ihren Auftritt verpasst», sagte ich zu ihr. «Wie war noch mal Ihr Künstlername?»
«O. O. O’Malley», sagte sie.
«Und Sie haben gewonnen.»
«Na klar.»
«Sehr gut.»
«Zieh dich ganz aus, und du kriegst den Preis. Ein Triumph der Gynäkologie.»
«Das ist mir entgangen.»
«Zeig uns alles.»
«Prima.» Ich konnte mich nicht richtig unterhalten. Flowers Fahrstil machte mir Sorgen. Sie fuhr ziemlich unkonzentriert. Jedes Mal, wenn sie mich ansprach, wandte sie den Blick von der Straße ab, und außerdem hatte sie die Marotte, plötzlich aufs Gas zu treten und grundlos auf über hundert zu beschleunigen. In einem Sportwagen wäre sie gemeingefährlich gewesen. Ich spürte, dass Gestänge und Zahnkränze der Lenkung an der Grenze ihrer Belastbarkeit waren. Ich machte mir Sorgen wegen der Reifen, bestimmt waren es die billigsten. Ja, manchmal wollte ein Teil von mir, dass mein Leben so endete, bei einem schlimmen Verkehrsunfall, damit ich den Schrecken von Annes und Elsies letzten Augenblicken teilen könnte. Doch der Rest hatte nur heillose Angst vor dem Autofahren.
Vor der Schranke zum Parkplatz meines Instituts setzte Flower mich ab.
«Gehen Sie jetzt da rein?» Sie machte den Motor aus und drehte sich zu mir.
«Da rein? Ja. Warum sollte ich nicht?»
«Ich weiß nicht. Ich dachte, vielleicht haben Sie Ihren Wagen hier irgendwo geparkt oder so.»
«Ich habe kein Auto. Nein, ich gehe jetzt da rein.»
Was sehe ich, wenn ich mir ihr Gesicht in Erinnerung rufe? Diese Augen. Die raubten einem wirklich den Verstand. Blau und zum Erbarmen süß in ihren tiefen dunklen Höhlen, obwohl ich mir ein anderes Wort als Höhlen dafür wünschen würde. Wenn ich da hineinsah, setzten meine Gedanken einfach aus.
«Na, dann bringen Sie mal vorher Ihr Gesicht in Ordnung. Sie sind ganz schmutzig», sagte sie. Sie hatte so eine komische Art, ihre Sätze zu beenden. Nicht so sehr eine Pause, sondern ein Abgrund tat sich auf.
«Wie hoch war das Preisgeld für Ihren Strip?»
«Hundertfünfzig.»
«Nicht schlecht.»
«Am Vierten Juli sind es zweihundertfünfzig.»
«Vielleicht sollte ich hinkommen», sagte ich zu ihr.
«Klar. Ich nehme Sie mit», sagte sie. «Da Sie ja kein Auto haben.»
Ich betrat das Gebäude durch den Kellereingang und überprüfte mein Aussehen in einem Spiegel auf der Herrentoilette. Nahe dem Haaransatz auf der Stirn hatte der ungezielte Schlag eine Delle hinterlassen. Ich sah weniger nach Kneipenschläger aus als nach einem Mann, der nicht auf seinen Weg geachtet hatte. Ich machte mir das Haar nass, klebte eine Strähne über die gerötete Stelle und ging dann nach oben zum monatlichen Kaffeeklatsch des Historischen Instituts. Ich war so ziemlich der Letzte, der eintraf, und als ich in das kleine Foyer kam, das mich immer irgendwie an den Besuchsraum eines Gefängnisses erinnerte, sahen alle von ihren Gesprächen auf. Dann hießen mich die ungefähr ein Dutzend Leute beinahe wie bei einem Defilee willkommen, einer nach dem anderen. Als hätte ich, ohne es zu wissen, etwas Besonderes vollbracht.
Das war seltsam, sogar ein wenig verwirrend. Ich trank in kleinen Schlucken Kaffee und aß einen Keks, bis ihre Aufmerksamkeit nicht mehr mir galt und ich dasaß und mir Puderzucker von den Fingern wischte.
Tiberius Soames begrüßte mich mit einer Art weiser, unbekümmerter Gelassenheit. Er legte mir die Hand auf die Schulter. «Sie haben sich Sorgen um mich gemacht. Das rechne ich Ihnen hoch an. Aber nein. Mir geht’s gut. Wirklich.»
«Sie hören sich auch so an», sagte ich. Und wir gingen gemeinsam zu den beiden großen Isolierkannen und pumpten uns noch mehr absolut unnötigen Kaffee heraus.
Soames schien den Styroporbecher in seiner Hand gerade erst zu entdecken, trank in dankbaren, langen Zügen. «Ich habe nur einfach nicht mehr die Nerven für diese widerwärtige Scharade. Als meine Mutter starb, wurde ihre Leiche von Hunden gefressen.»
Ich dachte über ein paar passende Worte nach. Ich gab mir Mühe, aber es ging nicht. «Hunde?» Mehr brachte ich nicht zustande.
«Das ist meine Botschaft an die Welt. Warum soll es auch anders
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