Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
sie die Hände sinken und sah mich wieder an. »Wohin bist du unterwegs?«
    »Zur Universität.«
    Sie hob eine Augenbraue und sah mit einem Mal zehn Jahre älter aus. »Solche Gewissheit.« Sie lächelte und war schlagartig wieder jung. »Was ist es denn für ein Gefühl, zu wissen, wohin man unterwegs ist?«
    Darauf fiel mir keine Antwort ein, und dann half mir Reta, die unszum Abendessen rief, aus der Verlegenheit, mir eine überlegen zu müssen. Gemeinsam gingen Denna und ich zum Lagerfeuer.

    Der nächste Tag begann damit, dass ich betont desinteressiert um Denna herumschlich – bis ich schließlich einen Vorwand fand, mich zu ihr zu gesellen.
    Denna hingegen war vollkommen unbefangen. Den Rest des Tages war es, als wären wir alte Freunde. Wir scherzten und erzählten einander Geschichten. Ich wies sie auf die unterschiedlichen Wolkenformen hin und erklärte ihr, was sie über das kommende Wetter verrieten. Sie machte mich auf ihre Gestalten aufmerksam: eine Rose, eine Harfe, ein Wasserfall.
    So ging der Tag dahin. Als später dann ausgelost wurde, wer welche Wache übernehmen sollte, zogen Denna und ich die ersten beiden Wachschichten. Wie selbstverständlich blieben wir in diesen vier Stunden zusammen. Flüsternd, um die anderen nicht zu wecken, saßen wir am Feuer, und ich hatte nur Augen für sie.
    Der dritte Tag verlief ganz ähnlich. Wir verbrachten die Zeit nicht mit langen Gesprächen, sondern damit, dass wir die Landschaft betrachteten und redeten, was uns gerade durch den Sinn ging. An diesem Abend hielten wir bei einem Gasthof, wo Reta Pferdefutter und einige weitere Vorräte kaufte.
    Reta zog sich früh mit ihrem Gatten zurück und sagte uns anderen, sie habe mit dem Wirt eine Absprache getroffen, was Abendessen und Betten für uns anging. Ersteres war recht gut, Schinken und Kartoffelsuppe mit frischem Brot und Butter. Letzteres entpuppte sich als Heuboden, aber das war immer noch um vieles besser als das, was ich in Tarbean gewöhnt gewesen war.
    Im Schankraum stank es nach Rauch, Schweiß und vergossenem Bier. Ich war froh, als Denna mich zu einem Spaziergang einlud. Draußen herrschte die warme Stille einer Frühlingsnacht. Plaudernd schlenderten wir durch das Wäldchen hinter dem Gasthof. Nach einer Weile kamen wir auf eine Lichtung rings um einen Weiher.
    An seinem Ufer fanden wir zwei Wegsteine, ihre Oberfläche glänzte silbern vor der Schwärze des Himmels und der Schwärze des Wassers. Einer stand aufrecht, wie ein Finger, der zum Himmel zeigt, und der andere lag daneben und ragte wie ein steinerner Anleger ins Wasser.
    Kein Windhauch regte den Weiher. Und als wir auf den liegenden Stein stiegen, spiegelten sich die Sterne auf der Wasseroberfläche. Es war, als säßen wir inmitten eines Sternenmeers.
    Wir unterhielten uns stundenlang, bis tief in die Nacht. Doch wir sprachen nicht über unsere Vergangenheit. Ich spürte, dass es Dinge gab, über die sie lieber nicht reden mochte, und da sie es vermied, mich zu befragen, vermutete sie das Gleiche wohl auch bei mir. Vielmehr sprachen wir über Erdachtes und Phantastisches. Ich zeigte zum Himmel und nannte ihr die Namen der Sterne und Sternbilder. Und sie erzählte mir Geschichten darüber, die ich noch nie gehört hatte.
    Mein Blick kehrte immer wieder zu Denna zurück. Sie saß neben mir, die Arme um die Knie geschlungen. Ihre Haut strahlte heller als der Mond, ihre Augen waren größer als der Himmel, tiefer als der See, dunkler als die Nacht.
    Mir wurde bewusst, dass ich sie nun schon sehr lange stumm anstarrte – in meinen Gedanken verloren, in ihren Anblick versunken. Sie aber blickte weder verärgert noch belustigt. Es schien fast, als wartete sie auf etwas.
    Ich wollte ihre Hand nehmen. Ich wollte mit den Fingerspitzen über ihre Wange streichen. Ich wollte ihr sagen, dass sie das Schönste sei, was ich seit drei Jahren gesehen hatte. Dass der Anblick, wie sie hinter vorgehaltener Hand gähnte, ausreichte, dass es mir den Atem verschlug. Dass ihre Stimme so lieblich sei, dass ich manchmal darüber vergaß, auf ihre Worte zu hören. Ich wollte ihr sagen, dass, wenn sie mit mir zusammen wäre, ich irgendwie vor allem Unheil gefeit wäre.
    In diesem atemlosen Augenblick hätte ich sie fast gefragt. Die Frage brannte mir im Herzen. Ich weiß noch, dass ich Luft holte und dann zögerte. Was sollte ich sagen? Geh mit mir fort? Bleib bei mir? Komm mit mir an die Universität? Nein. Plötzliche Gewissheit balltesich in meiner Brust wie

Weitere Kostenlose Bücher