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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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und musste erst noch lernen, was wahrer Kummer ist.

Kapitel 35
    Die Wege trennen sich

    D as Wetter blieb schön, und so trafen wir kurz vor Sonnenuntergang in Imre ein. Meine Stimmung war miserabel, und ich war gekränkt. Denna war den ganzen Tag auf Josns Wagen mitgefahren, und ich hatte in meinem törichten Stolz Abstand zu ihr gehalten.
    Sobald die Wagen hielten, begannen hektische Aktivitäten. Roent stritt sich schon mit einem glatt rasierten Mann mit einem Samthut, ehe er seinen Wagen auch nur ganz zum Stehen gebracht hatte. Es wurde gefeilscht, und dann hievten ein Dutzend Männer Kleiderballen, Sirupfässer und Kaffeesäcke von den Wagen. Reta wachte mit strengem Blick darüber. Josn eilte hin und her und versuchte zu verhindern, dass sein Gepäck beschädigt oder gestohlen wurde.
    Mein Gepäck war leichter zu handhaben, denn ich hatte ja nur meinen Reisesack. Ich zog ihn zwischen einigen Kleiderbündeln hervor und ging ein Stück abseits. Dort warf ich mir den Sack über die Schulter und schaute, wo ich Denna finden konnte.
    Doch statt ihrer trat Reta zu mir. »Du warst uns unterwegs eine große Hilfe«, sagte sie. Sie sprach viel besser Aturisch als Roent und hatte nur noch einen leichten Siaru-Akzent. »Es ist schön, jemanden dabei zu haben, der Pferde ausspannen kann, ohne dass man ihm erst zeigen muss, wie das geht.« Sie hielt mir eine Münze hin.
    Ich nahm sie, ohne nachzudenken. Es war ein Reflex aus meinen Bettlerjahren. Erst als ich die Münze in der Hand hielt, sah ich sie mir an. Es war ein ganzer Kupfer-Jot, die Hälfte dessen, was ich ihnen für die Fahrt nach Imre gezahlt hatte. Als ich den Blick wieder hob, ging Reta schon zu den Wagen zurück.
    Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte, und ging zu Derrik, der auf dem Rand einer Pferdetränke saß. Er sah zu mir hoch und schirmte sich dabei die Augen mit einer Hand gegen die Abendsonne ab. »Dann verlässt du uns also? Ich dachte fast, du würdest eine Zeitlang bei uns bleiben.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Reta hat mir gerade einen Jot gegeben.«
    Er nickte. »Das wundert mich nicht. Die meisten Fahrgäste sind weiter nichts als Ballast.« Er zuckte die Achseln. »Und dein Lautenspiel hat ihr gefallen. Hast du mal überlegt, dich als Musiker zu versuchen? Imre wäre dafür genau der richtige Ort, sagt man.«
    Ich lenkte das Gespräch wieder auf Reta zurück. »Ich will nicht, dass Roent ihr böse ist. Er scheint sehr auf sein Geld zu achten.«
    Derrik lachte. »Und sie etwa nicht?«
    »Ich habe bei Roent bezahlt«, erläuterte ich. »Wenn er mir etwas von dem Geld wiedergeben wollte, hätte er das, glaube ich, selber getan.«
    Derrik schüttelte den Kopf. »Nein, so läuft das nicht. Ein Mann verschenkt kein Geld.«
    »Das meine ich ja«, sagte ich. »Ich will nicht, dass sie Schwierigkeiten bekommt.«
    Derrik schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich mache mich offenbar nicht recht verständlich«, sagte er. »Roent weiß davon. Vielleicht hat er sie sogar zu dir geschickt. Aber erwachsene Kealden verschenken kein Geld. So etwas gilt als weibisches Verhalten. Sie kaufen nicht einmal etwas, solange es sich vermeiden lässt. Hast du nicht bemerkt, dass Reta es war, die vor einigen Tagen in dem Gasthof die Preise für das Essen und die Übernachtung ausgehandelt hat?«
    Jetzt, da er es erwähnte, fiel es mir wieder ein. »Aber warum?«, fragte ich.
    Derrik zuckte die Achseln. »Da gibt es kein Warum. So ist das halt. Das ist auch der Grund, warum so viele Kealden-Karawanen von einem Ehepaar geführt werden.«
    »Derrik!«, erscholl Roents Stimme hinter einem Wagen.
    Er seufzte und erhob sich. »Die Pflicht ruft«, sagte er. »Man sieht sich.«
    Ich steckte die Münze ein und dachte darüber nach, was Derrik gesagt hatte. Meine Truppe war nie so weit nach Norden vorgedrungen. So musste ich mir eingestehen, dass ich längst nicht so weltklug war, wie ich mir immer eingebildet hatte.
    Mit meinem Reisesack auf der Schulter sah ich mich noch ein letztes Mal um. Es wäre vielleicht das Beste, dachte ich, wenn ich mich ohne großen Abschied einfach aus dem Staub machte. Denna war nirgends zu sehen. Das war es dann also. Ich wandte mich zum Gehen …
    … und da stand sie vor mir. Sie lächelte leicht beklommen, hielt die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Sie war schön wie eine Blume und sich dessen nicht im Mindesten bewusst. Es verschlug mir kurz den Atem, und ich vergaß meine Gereiztheit und Gekränktheit.
    »Du

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