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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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offenbar alles beim Alten war. Trapis war nicht da, er war wahrscheinlich unterwegs und sammelte Almosen, damit er für seine Kinder sorgen konnte. Dort standen sechs Betten, alle belegt, und weitere Kinder lagen auf dem Fußboden. Einige schmuddelige Straßenkinder standen rings um einen Scheffelkorb auf dem Tisch, Winteräpfel in Händen. Sie drehten sich um und starrten mich gehässig an.
    Da dämmerte es mir. Sie erkannten mich nicht wieder. Frisch gewaschen und gut gekleidet sah ich aus wie ein ganz normaler Junge, der hier hereinspaziert kam. Ich gehörte nicht hierher.
    Just in diesem Moment kam Trapis herein, einige flache Brote unter dem einen Arm, ein weinendes Kleinkind auf dem anderen. »Ari«, rief er einen der Jungen, die um den Tisch herumstanden. »Komm, hilf mir. Wir haben eine neue Besucherin, und sie muss dringend gewickelt werden.«
    Der Junge eilte herbei und nahm Trapis das kleine Mädchen ab. Trapis legte das Brot auf den Tisch, und die Kinder verfolgten aufmerksam, was er tat. Mir wurde bang ums Herz. Trapis hatte mich keines Blickes gewürdigt. Was, wenn auch er mich nicht erkannte? Was, wenn er mich hinauswarf? Ich wusste nicht, ob ich das ertragen hätte, und schob mich in Richtung Ausgang.
    Trapis zeigte nacheinander auf die einzelnen Kinder. »David, du leerst das Wasserfass aus und putzt es mal gründlich. Das Wasser schmeckt nicht mehr gut. Und wenn du damit fertig bist, füllt Nathan es an der Pumpe wieder auf.«
    »Darf ich zwei Portionen nehmen?«, fragte Nathan. »Mein Bruder braucht auch was zu essen.«
    »Dein Bruder kann selber herkommen und sich sein Brot abholen«, sagte Trapis freundlich, sah sich den Jungen dann aber genauer an, so als wittere er etwas. »Ist er verletzt?«
    Nathan nickte, den Blick zu Boden gesenkt.
    Trapis legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. »Bring ihn her. Wir kümmern uns um ihn.«
    »Es ist sein Bein«, stammelte Nathan, offenbar den Tränen nah. »Es ist ganz heiß, und er kann nicht mehr gehen.«
    Trapis nickte und zeigte auf das nächste Kind. »Jen, du hilfst Nathan, seinen Bruder herzubringen.« Sie eilten hinaus. »Tam, da Nathan jetzt weg ist, trägst du das Wasser.«
    »Kvothe, du holst Seife.« Er hielt mir einen Halbpenny hin. »Geh zu Marna im Waschhaus. Wenn du ihr sagst, für wen es ist, kriegst du es billiger.«
    Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Er erkannte mich. Ich kann euch gar nicht beschreiben, was für eine Erleichterung das war. Trapis war mein einziger Familienersatz. Die Vorstellung, dass er mich nicht mehr erkannte, war grauenhaft gewesen.
    »Mir bleibt leider keine Zeit mehr für Besorgungen, Trapis«, sagte ich zögerlich. »Ich reise ab. Ich fahre ins Landesinnere, nach Imre.«
    »Tatsächlich?«, sagte er und musterte mich. »Nun, wenn du es sagst, wird es wohl so sein.«
    Natürlich: Trapis achtete nicht auf die Kleidung, sondern nur auf das Kind, das darin steckte. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, wo meine Sachen sind. Über der Kerzenfabrik gibt es eine Stelle, an der drei Dächer zusammentreffen. Da liegen ein paar Sachen. Eine Decke, eine Flasche … Ich brauche das alles nicht mehr. Es ist ein guter Schlafplatz, wenn mal Bedarf besteht. Schön trocken. Ein gutes Versteck …« Ich verstummte.
    »Das ist lieb von dir. Ich werde einen Jungen hinaufschicken«, sagte Trapis. »Komm her zu mir.« Er schloss mich in die Arme, und sein Bart kitzelte mir die Wange. »Ich bin immer froh, wenn einer von euch es schafft, hier wegzukommen«, sagte er leise. »Ich weiß, duwirst gut auf dich aufpassen, aber du darfst auch gern jederzeit wiederkommen.«
    Auf einem der Betten begann ein kleines Mädchen sich ächzend hin und her zu werfen. Trapis ließ mich los und sah sich zu ihr um. »Was denn, was denn«, sagte er und ging zu ihr, um sich um sie zu kümmern, und seine nackten Füße schlappten über den Steinboden. »Ist ja gut, ist ja gut.«

Kapitel 33
    Inmitten eines Sternenmeers

    I ch ging zurück nach Drover’s Lot, einen Reisesack über die Schulter geschwungen. Er enthielt Wäsche zum Wechseln, einen Laib Brot, etwas Dörrfleisch, einen Schlauch Wasser, Nadel und Faden, einen Feuerstein, Federn und Tinte. Kurz, alles, was ein kluger Mensch auf eine Reise mitnimmt.
    Meine prächtigste Neuanschaffung aber war ein dunkelblauer Umhang, den ich bei einem Altkleiderhändler für schlappe drei Jots erstanden hatte. Er war warm, sauber und offenbar tatsächlich erst aus zweiter Hand.
    Auf Reisen ist ein

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