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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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guter Umhang mehr wert als das ganze übrige Gepäck zusammen. Wenn man keine Schlafstelle hat, kann er als Bett und Decke dienen. Er hält den Regen ab und auch grellen Sonnenschein. Und wenn man clever ist, kann man darunter ein ganzes Waffenarsenal verbergen.
    Darüber hinaus spricht zweierlei für einen Umhang. Erstens ist kaum etwas so eindrucksvoll wie ein gut getragener Umhang, der sich leicht im Winde bauscht. Und zweitens verfügt ein guter Umhang über unzählige kleine Taschen, und so etwas zieht mich einfach unwiderstehlich an.
    Wie gesagt, es war ein guter Umhang, und er hatte eine ganze Anzahl solcher Taschen. Darin steckten Bindfäden und etwas Wachs, einige Dörräpfel, eine Zunderbüchse, eine Murmel in einem Lederbeutelchen, ein Säcklein Salz und ein Angelhaken samt Schnur.
    Ich hatte mit Bedacht mein gesamtes Commonwealth-Geld ausgegeben und nahm nur kealdisches Geld auf die Reise mit, denn das war auf der ganzen Welt gern gesehen.
    Als ich eintraf, wurden gerade die letzten, hektischen Vorbereitungen getroffen. Roent schritt rastlos zwischen den Wagen hin und her und überprüfte alles noch einmal. Reta beaufsichtigte die Arbeiter mit strengem Blick und scharfen Worten, wenn etwas nicht zu ihrer Zufriedenheit geschah. Mich beachtete man gar nicht, bis wir dann aufbrachen, hinaus aus der Stadt, der Universität entgegen.

    Während die Meilen vorüberzogen, war es, als würde ganz langsam eine große Last von mir genommen. Ich genoss es, den Boden unter meinen Schuhsohlen zu spüren, genoss den Geruch der Luft und das Rascheln des Windes in den Weizenfeldern am Straßenrand. Ich ertappte mich dabei, ganz grundlos zu grinsen, so glücklich war ich. Wir Ruh sind nicht dafür gemacht, lange an einem Ort zu verweilen. Ich atmete tief durch und hätte fast laut aufgelacht.
    Da ich keine Gesellschaft mehr gewöhnt war, hielt ich mich zunächst von den anderen fern. Roent und die Söldner ließen mich bereitwillig in Ruhe. Derrik scherzte ab und zu mit mir, für seinen Geschmack war ich aber zu reserviert.
    So blieb der zweite Fahrgast – Denna. Wir sprachen erst gegen Ende des ersten Reisetages das erste Mal miteinander. Ich fuhr bei einem Söldner mit, schälte gedankenverloren die Rinde von einer Weidenrute. Und während meine Finger arbeiteten, betrachtete ich die Seite ihres Gesichts und bewunderte den Schwung ihres Kiefers und ihrer Halsbeuge. Ich fragte mich, warum sie wohl alleine reiste und was das Ziel ihrer Reise sein mochte. Und während ich so vor mich hin grübelte, blickte sie plötzlich zu mir herüber und ertappte mich dabei, dass ich sie unverwandt ansah.
    »Na, woran denkst du?«, fragte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Ich frage mich, was du hier machst«, sagte ich, halb aufrichtig.
    Lächelnd sah sie mir in die Augen. »Lügner.«
    Mit einem alten Bühnentrick verhinderte ich, dass ich errötete,brachte ihr mein bestes gleichgültiges Achselzucken dar und blickte wieder auf die Weidenrute, die ich schälte. Einige Minuten später hörte ich, wie Denna ihr Gespräch mit Reta fortsetzte. Ich war auf seltsame Weise enttäuscht.
    Als das Lager aufgeschlagen war und während das Abendessen zubereitet wurde, schlenderte ich zwischen den Wagen umher und betrachtete die Knoten, mit denen Roent seine Fracht fixiert hatte. Da hörte ich hinter mir Schritte, und als ich mich umsah, kam Denna auf mich zu. Sie blieb ein paar Meter vor mir stehen. »Hast du es mittlerweile heraus gefunden?«, fragte sie.
    »Wie bitte?«
    »Warum ich hier bin.« Sie lächelte. »Das frage ich mich nämlich schon fast mein ganzes Leben lang. Ich dachte, wenn du da irgendeine Idee hättest …« Sie warf mir einen schmerzlich hoffnungsvollen Blick zu.
    Ich schüttelte den Kopf, zu unsicher, um mit Humor darauf einzugehen.
    »Ich vermute, du bist irgendwo hin unterwegs.«
    Sie nickte ernst. »Das vermute ich auch.« Sie sah zum Horizont. Der Wind spielte mit ihrem Haar, und sie strich es sich aus dem Gesicht. »Und weißt du zufällig, wohin?«
    Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Ich war es nicht mehr gewöhnt zu lächeln. »Weißt du es denn nicht?«
    »Ich habe meine Vermutungen. Im Moment glaube ich, es ist Anilin. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich täusche.«
    Schweigen. Denna sah auf ihre Hände, nestelte an einem Ring an ihrem Finger. Ich sah kurz etwas Silbernes und einen hellblauen Stein. Dann ließ

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