Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
praktische Reisekleidung, Hemd und Hose, und war gerade noch so jung, dass es nicht unschicklich wirkte. Wäre sie auch nur ein Jahr älter gewesen, hätte ich sie als Dame ansehen müssen. Während sie mit Reta sprach, changierte sie zwischen erwachsener Anmut und kindlicher Ausgelassenheit. Sie hatte langes, dunkles Haar, und …
    Kurz gesagt: Sie war schön. Es war lange her, dass ich solche Schönheit erblickt hatte.
    Roent bemerkte meinen Blick und fuhr fort: »Jeder hilft abends beim Aufschlagen des Lagers. Jeder hält eine Schicht Wache. Wenn du auf Wache einschläfst, fahren wir ohne dich weiter. Du isst mit uns, und zwar das, was meine Frau kocht. Wenn du dich über das Essen beklagst, fahren wir ohne dich weiter. Wenn du zu langsam gehst, fahren wir ohne dich weiter. Wenn du das Mädchen belästigst …« Er fuhr sich mit der Hand durch den dunklen Vollbart. »Geht es dir an den Kragen.«
    Um seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, fragte ich: »Wann werden die Wagen denn fertig beladen sein?«
    »In zwei Stunden«, erwiderte er mit einer solchen Gewissheit, als fordere er die Arbeiter heraus, ihn zu widerlegen.
    Einer der Männer stand auf einem Wagen und schirmte mit der Hand seine Augen ab. Er rief mir etwas zu, und seine Stimme übertönte den Lärm der Pferde, Wagen und Männer, der den Platz erfüllte. »Lass dich nicht von ihm abschrecken, Junge. Wenn er nicht gerade herumbrüllt, ist er ein guter Kerl.« Roent drohte ihm mit dem Finger, und der Mann machte sich wieder an die Arbeit.
    Mich brauchte er nicht zu überzeugen. Ein Mann, der gemeinsam mit seiner Frau reist, ist im allgemeinen vertrauenswürdig. Und außerdem verlangte er einen fairen Preis und brach noch heute auf. Ich zog zwei Kupfermünzen aus meinem Geldbeutel und gab sie ihm.
    »Zwei Stunden.« Er hielt mir zwei seiner kräftigen Finger vor die Nase. »Wenn du zu spät kommst, sind wir weg.«
    Ich nickte ernst. »Rieusa, tu kialus A’isha tua.« – Danke, dass du mich deiner Familie nah sein lässt .
    Roent hob die struppigen Augenbrauen. Dann nickte er knapp, und dieses Nicken war fast schon eine leichte Verbeugung. Ich sah mich auf dem Platz um und versuchte mich zu orientieren.
    »Da steckt ja jemand voller Überraschungen.« Ich wandte mich um und sah den Arbeiter, der mir von dem Wagen aus zugerufen hatte. Er streckte mir eine Hand entgegen. »Derrik.«
    Ich schüttelte ihm die Hand und fühlte mich dabei beklommen. Ich hatte mich schon so lange nicht mehr einfach nur so mit jemandem unterhalten, dass es ein seltsames Gefühl war. »Kvothe.«
    Derrik hielt sich mit beiden Händen den Rücken, streckte sich und verzog dabei das Gesicht. Er war einen Kopf größer als ich, um die zwanzig und blond. »Du hast Roent einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wo hast du denn gelernt, Siaru zu sprechen?«
    »Ein Arkanist hat mir ein wenig davon beigebracht«, erklärte ich. Ich sah, dass Roent zu seiner Frau gegangen war und mit ihr sprach. Das dunkelhaarige Mädchen sah zu mir herüber und lächelte. Ich guckte weg und wusste nicht, wie ich reagieren sollte.
    Derrik zuckte die Achseln. »Dann hol mal dein Gepäck. Roent hat in seiner harten Schale zwar einen weichen Kern, aber wenn die Wagen erst mal beladen sind, wird er nicht warten.«
    Ich nickte, obwohl ich keinerlei Gepäck besaß. Ich hatte noch einige Einkäufe zu erledigen. Man sagt ja, dass man in Tarbean alles bekommt, wenn man nur genug Geld hat, und zum großen Teil stimmt das.

    Ich ging die Treppe zu Trapis’ Keller hinab. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in Schuhen dort hinunterzusteigen. Ich war es gewöhnt, den feuchtkalten Steinboden unter den Füßen zu spüren.
    Als ich den kurzen Korridor entlangging, tauchte aus dem Innern des Hauses ein in Lumpen gekleideter Junge auf. Er hielt einen kleinen Winterapfel in der Hand. Als er mich sah, blickte er finster und argwöhnisch. Dann schob er sich an mir vorbei, den Blick auf den Boden gerichtet.
    Ohne überhaupt darüber nachzudenken, schlug ich seine Hand von meinem Geldbeutel fort und starrte ihn an. Mir fehlten die Worten. Er floh nach draußen, ließ mich vollkommen verblüfft zurück. Wir beklauten einander nicht. Draußen auf den Straßen war jeder auf sich allein gestellt, aber Trapis’ Keller war für uns ein Zufluchtsort, eine Freistatt, beinahe wie eine Kirche. Und das setzten wir nicht aufs Spiel.
    Ich ging die paar Schritte weiter in den Hauptraum und war erleichtert, als ich sah, dass sonst

Weitere Kostenlose Bücher