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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einen Strumpf trug.
    Ich stellte mich neben ihn. Nun wusste ich, wie meine dritte Frage lauten musste. »Was muss ich tun«, fragte ich, »damit ich bei Euch Namenskunde studieren darf?«
    Er sah mir ruhig in die Augen, taxierte mich. »Du musst springen«, sagte er. »Spring von diesem Dach.«
    Da wurde mir klar, dass all das eine Probe gewesen war. Seit wir einander begegnet waren, hatte er mich in einem fort auf die Probe gestellt. Mit meiner Hartnäckigkeit hatte ich ihm Respekt abgenötigt, und er war erstaunt gewesen, dass mir an der Luft in seinem Zimmer etwas aufgefallen war. Er stand kurz davor, mich als Student anzunehmen.
    Aber er brauchte noch etwas: einen Beweis meiner Entschlossenheit.
    Und als ich dort stand, musste ich wieder an die alte Geschichte denken: Taborlin stürzte hinab. Doch er ließ die Hoffnung nicht fahren. Denn er kannte den Namen des Windes, und der Wind gehorchte. Er sprach zu dem Wind, und der Wind nahm ihn zärtlich auf den Arm und streichelte ihn. Er trug ihn zu Boden, als wäre er federleicht, und setzte ihn sanft, wie mit einem mütterlichen Kuss, auf den Füßen ab.
    Elodin kannte den Namen des Windes.
    Ich sah ihm weiter in die Augen und sprang von der Dachkante.
    Elodins Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Nie habe ich einen Menschen so erstaunt gesehen. Ich drehte mich im Fall, so dassich ihn weiter sah. Er hob eine Hand, so als versuche er zu spät, mich festzuhalten.
    Ich fühlte mich schwerelos, als würde ich schweben.
    Dann kam ich auf dem Boden auf. Aber nicht sacht wie eine Feder. Eher wie ein Pflasterstein auf einer Straße. Ich prallte auf dem Rücken auf, landete auf meinem linken Arm. Als ich mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlug, wurde mir schwarz vor Augen, und alle Luft wurde mir mit einem Schlag aus der Lunge gepresst.
    Ich verlor nicht das Bewusstsein. Ich lag nur da, bekam keine Luft mehr und konnte mich nicht bewegen. Ich weiß noch, dass ich ernsthaft glaubte, ich sei tot. Oder blind.
    Schließlich kehrte mein Augenlicht zurück, und ich blinzelte in den strahlend blauen Himmel. Die Schulter tat mir schrecklich weh, und ich hatte den Geschmack von Blut im Mund. Ich bekam immer noch keine Luft und versuchte, von meinem Arm herunterzurollen, aber mein Körper gehorchte mir nicht. Ich hatte mir das Genick gebrochen …
    Einen entsetzlichen Augenblick später gelang es mir, ganz flach einzuatmen, dann noch einmal. Ich seufzte erleichtert, und da merkte ich, dass ich mir mindestens eine Rippe gebrochen hatte. Es gelang mir aber, die Finger zu bewegen, dann die Zehen. Sie funktionierten. Mein Rückgrat hatte den Sturz überstanden.
    Als ich dort lag, trat Elodin in mein Gesichtsfeld.
    Er sah zu mir hinab. »Glückwunsch«, sagte er und blickte ebenso beeindruckt wie ungläubig. »Das war wirklich mit Abstand das Dümmste, was ich je gesehen habe.«

    Und so kam es, dass ich beschloss, mich doch der Handwerkskunst zu widmen. Nicht dass mir groß etwas anderes übrig blieb. Bevor er mir half, zur Mediho zu humpeln, sagte mir Elodin klipp und klar, dass jemand, der so dumm war, von einem sieben Meter hohen Dach zu springen, viel zu leichtsinnig sei, um in seiner Gegenwart auch nur einen Löffel halten zu dürfen, geschweige denn, etwas so »Tiefgründiges und Heikles« wie die Namenskunde zu studieren.
    Dennoch war ich nicht allzu verärgert über Elodins Absage. Zauberei wie aus dem Märchen hin oder her – ich war nicht sonderlich erpicht darauf, bei einem Manne zu studieren, dessen erste Lektion mir drei Rippenbrüche, eine Gehirnerschütterung und eine ausgerenkte Schulter eingetragen hatte.

Kapitel 47
    Stacheln

    N ach dem holprigen Beginn verlief mein erstes Trimester schließlich doch noch recht glatt.
    Ich studierte an der Mediho und lernte viel über den menschlichen Körper und die unterschiedlichen Heilverfahren. Mit Wilem übte ich Siaru und half ihm im Gegenzug, sein Aturisch zu verbessern.
    Im Handwerkszentrum bekam ich Unterricht im Glasblasen, im Legieren, im Drahtziehen, im Gravieren von Metallen und in Bildhauerei.
    Abends arbeitete ich meist in Kilvins Werkstatt. Ich säuberte Bronzegüsse von Formresten, spülte Glasgefäße und mahlte Erze für die Legierungen. Die Arbeit war nicht schwierig, und Kilvin zahlte mir einen Kupfer-Jot pro Spanne und manchmal auch zwei.
    Ich lernte auch weniger akademische Dinge. Einige meiner Schlafsaalgenossen brachten mir ein Kartenspiel namens Hundekeuchen bei, und ich revanchierte mich für diesen

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