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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einließ, als er mein Giller wurde.« Er machte kehrt und ging den Korridor entlang. »Du weißt das nicht. Du weißt überhaupt nichts über die Universität. Über die Risiken, die man hier eingeht. Du glaubst, das hier wäre ein Märchenland, ein Spielplatz. Aber das ist es nicht.«
    »Ja, genau«, entgegnete ich. »Es ist ein Spielplatz, und die anderen Kinder sind neidisch, weil ich schon ›Auspeitschung und Hausverbot‹ spielen durfte und sie nicht.«
    Elodin blieb stehen und sah mich an. »Also gut. Beweise mir, dass ich mich irre. Beweise mir, dass du darüber nachgedacht hast. Wozu braucht eine Universität, die nicht einmal fünfzehnhundert Studenten hat, eine Nervenheilanstalt von der Größe eines Königspalastes?«
    Ich überlegte hektisch. »Die meisten Studenten stammen aus wohlhabenden Familien«, sagte ich. »Sie haben bisher ein unbeschwertes Leben geführt. Und wenn sie nun gezwungen werden …«
    »Falsch«, sagte Elodin und ging weiter den Korridor entlang. »Es liegt an dem, was wir hier studieren. An der Art und Weise, wie wir unsere Gehirne schulen.«
    »Also machen Grammatik und Geheimschriften die Leute verrückt«, sagte ich und achtete darauf, es als Aussage und nicht als Frage zu formulieren.
    Elodin blieb stehen und riss die nächste Tür auf. Panische Schreie drangen in den Korridor. »… IN MIR! SIE SIND IN MIR! SIE SIND IN MIR! SIE SIND IN MIR!« In dem Raum sah ich einen jungen Mann, der sich gegen die Lederfesseln sträubte, mit denen er an Händen und Füßen, am Hals und an der Taille an das Bett geschnallt war.
    »Trigonometrie löst so etwas jedenfalls nicht aus«, sagte Elodin und sah mir in die Augen.
    »SIE SIND IN MIR! SIE SIND IN MIR! SIE SIND IN –«, schrie der Mann immer weiter. Es war wie das nicht enden wollende nächtliche Bellen eines Hundes. »– MIR! SIE SIND IN MIR! SIE SIND –«

    Elodin führte mich nun weiter in einen anderen Flügel des Gebäudes. Als wir dort um eine Ecke bogen, erblickte ich etwas Neues: eine Tür ganz aus Kupfer.
    Elodin zückte einen Schlüssel und schloss auf. »Ich schaue hier gerne rein, wenn ich in der Gegend bin«, sagte er beiläufig und öffnete die Tür. »Sehe nach der Post, gieße die Blumen und so weiter.«
    Er zog sich einen Strumpf aus, band ihn zu einem Knoten und klemmte ihn in den Türspalt. »Es ist eigentlich ganz nett hier, aber dennoch …« Er zog noch einmal an der Tür und stellte sicher, dass sie nicht hinter uns ins Schloss fallen konnte. »Nie wieder.«
    Das Erste, was mir an dem Raum auffiel, war, dass etwas mit der Luft nicht stimmte. Erst dachte ich, er wäre vielleicht schalldicht gemacht, wie der von Alder Whin, doch als ich mich umblickte, sah ich, dass die Wände und Decken aus nacktem grauem Stein waren. Dann überlegte ich, ob die Luft vielleicht abgestanden wäre, doch als ich einatmete, roch es nach Lavendel und frisch gewaschener Wäsche. Fast war es, als hätte ich einen Druck auf den Ohren, so als wäre ich tief unter Wasser, nur dass es eben nicht so war. Ich fuchtelte ein wenig mit der Hand hin und her, erwartete fast, dass sich die Luft anders anfühlen würde, dicker. Doch auch dem war nicht so.
    »Ganz schön irritierend, hm?« Ich wandte mich um und sah, dass Elodin mich beobachtete. »Wundert mich, dass du das bemerkst. Das bemerken nicht viele.«
    Das Zimmer war viel komfortabler eingerichtet als das von Alder Whin. Es gab hier ein Himmelbett mit Vorhängen, ein dick gepolstertes Sofa, ein leeres Bücherregal und einen großen Tisch mit etlichen Stühlen. Am bemerkenswertesten waren die großen Fenster mit Blick hinaus auf die Rasenflächen und Gärten. Draußen sah ich auch einen Balkon, konnte aber keinen Zugang entdecken.
    »Schau her«, sagt Elodin, nahm einen der hölzernen Stühle, wirbelte ihn herum und schleuderte ihn in Richtung Fenster. Ich zuckte zusammen, doch statt einer berstenden Glasscheibe hörte man nur Holz zerbrechen. Der zerstörte Stuhl fiel zu Boden.
    »Das habe ich früher stundenlang gemacht«, sagte Elodin, atmete tief durch und sah sich mit liebevollem Blick im Raum um. »Ach, das waren noch Zeiten.«
    Ich ging hinüber und sah mir die Fenster an. Die Scheiben waren dicker als gewöhnlich, aber so dick nun auch wieder nicht. Sie wirkten ganz normal, bis auf die kaum sichtbaren rötlichen Streifen, die hindurchliefen. Ich sah mir die Fensterrahmen an. Sie bestanden ebenfalls aus Kupfer. Ich blickte mich im Raum um, betrachtete die kahlen Steinwände,

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