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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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gleichzeitig auf mich stürzten, bekam ich doch bald Schwierigkeiten, die einzelnen Personen auseinander zu halten. Und der Metheglin machte es nicht einfacher.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich daran dachte, mich nach Ambrose umzusehen. Ich ließ den Blick durch den Saal schweifen, und als ich ihn nicht entdeckte, stupste ich Simmon an. »Wo ist denn unser bester Freund?«, fragte ich.
    Simmon blickte mich verständnislos an, und mir wurde klar, dass er schon zu tief ins Glas geschaut hatte, um meinen Sarkasmus noch zu verstehen. »Ambrose«, sagte ich. »Wo ist Ambrose?«
    »Der hat sich davon gestohlen«, verkündete Wilem. »Als du mit dem Lied fertig warst, und noch bevor du dein Abzeichen bekommen hast.«
    »Er wusste es. Er wusste es«, sagte Simmon triumphierend. »Er wusste, dass du es kriegst, und er konnte es nicht ertragen, es mit anzusehen.«
    »Er sah nicht gut aus, als er ging«, erwiderte Wilem mit einer gewissen Gehässigkeit. »Blass und zitternd. Als hätte er gerade herausgefunden, dass ihm den ganzen Abend über einer ins Bier gepinkelt hat.«
    »Vielleicht war es ja so«, sagte Simmon mit einer für ihn untypischen Bösartigkeit. »Ich hätte es gern getan.«
    »Zitternd?«, fragte ich.
    Wilem nickte. »Zitternd. Als ob er einen Schlag in die Magengrube abbekommen hätte. Linten musste ihn auf dem Weg nach draußen sogar stützen.«
    Die Symptome kamen mir bekannt vor. Das klang nach Binderfrost. Mir kam ein Verdacht. Ich stellte mir Ambrose vor, wie er mich das schönste Lied spielen sah, das er je gehört hatte, und wie ihm klar wurde, dass ich kurz davor stand, mein Abzeichen zu erringen.
    Er konnte nichts Auffälliges unternehmen, aber vielleicht fand er ja einen Faden oder einen langen Holzsplitter vom Tisch. Mit beiden hätte er eine sehr schwache sympathetische Verbindung zu meiner Lautensaite herstellen können – bestenfalls ein Prozent Wirkungsgrad, wahrscheinlich eher nur ein Promille.
    Ich stellte mir vor, wie Ambrose seine eigene Körperwärme anzapfte, wie er sich konzentrierte und die Kälte ihm langsam die Arme und Beine hinaufkroch. Ich stellte ihn mir vor, wie er zitterte und immer schwerer atmete, bis schließlich die Saite riss …
    … Und ich das Lied all seinen Anstrengungen zum Trotz zu Ende spielte. Bei diesem Gedanken musste ich grinsen. Es war natürlich nur reine Spekulation, aber irgendetwas hatte meine Lautensaite ja schließlich zum Reißen gebracht, und ich zweifelte keine Sekunde, dass Ambrose zu so etwas im Stande war. Ich wandte mich wieder an Simmon, aus dem es förmlich heraussprudelte:
    »… es ihm hinstellen und würde sagen: Ich nehm’s dir nicht mehr übel, dass du damals in Chemie meine Salze vertauscht hast und ich anschließend einen Tag lang so gut wie blind war. Nein, wirklich nicht. Vergessen und vergeben! Prost! Ha!« Simmon lachte, ganz aufgekratzt von seinen Vergeltungsphantasien.
    Der Strom der Gratulanten ebbte allmählich ab: ein Lautenist, der ausgezeichnete Flötenspieler, den ich auf der Bühne gesehen hatte,ein ortsansässiger Kaufmann. Ein stark parfümierter Herr mit langem, eingeöltem Haar und vintischem Akzent klopfte mir auf den Rücken und drückte mir einen Geldbeutel in die Hand. »Für neue Saiten«, sagte er. Der Mann gefiel mir nicht. Aber den Geldbeutel behielt ich.

    »Warum fangen die denn alle wieder damit an?«, fragte mich Wilem.
    »Womit?«
    »Die Hälfte der Leute, die herkommt, um dir die Hand zu schütteln, kriegt sich gar nicht mehr ein, wie schön doch das Lied gewesen wäre, und die andere Hälfte erwähnt das Lied mit keiner Silbe und redet nur darüber, wie du es geschafft hast, mit einer gerissenen Saite zu spielen. Als ob sie das Lied überhaupt nicht gehört hätten.«
    »Die erste Hälfte versteht nichts von Musik«, sagte Simmon. »Nur jemand, der etwas von Musik versteht, kann wirklich würdigen, was unser junger E’lir hier heute Abend geleistet hat.«
    Willem brummte nachdenklich. »Dann ist es wirklich so schwer?«
    »Ich habe nie gesehen, dass jemand auch nur ein Kinderlied auf einer Laute mit einer gerissenen Saite gespielt hätte«, sagte Simmon.
    »Nun ja«, erwiderte Wilem. »Bei dir sah es jedenfalls ganz einfach aus. Und da du jetzt zur Vernunft gekommen bist und von diesem yllischen Obstsaft Abstand genommen hast – darf ich dich zu einem Glas vom feinsten Scutten einladen, dem Getränk der Könige der Kealden?«
    Ich wusste das Kompliment zu schätzen, zögerte aber, das

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