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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Angebot anzunehmen, denn ich hatte erst gerade wieder einen einigermaßen klaren Kopf.
    Glücklicherweise blieb es mir erspart, mir eine Ausrede ausdenken zu müssen, denn nun kam Marea zu mir, um mir zu gratulieren. Sie war die wunderschöne Harfenistin mit dem goldblonden Haar, die sich vergeblich um ein Abzeichen beworben hatte. Kurz dachte ich, dass sie vielleicht die Stimme meiner Aloine gewesen war, doch als ich ihr einen Moment lang zugehört hatte, wurde mir klar, dass das nicht sein konnte.
    Aber sie war schön, sogar noch schöner als auf der Bühne – was selten genug der Fall ist. Im Gespräch erfuhr ich, dass sie die Tochter eines Stadtrats von Imre war. In dem tiefen Blau ihrer Augen spiegelte sich wunderbar das Blau ihres Kleids wider.
    Doch so schön sie auch war, vermochte ich mich ihr doch nicht mit der Konzentration zu widmen, die ihr eigentlich gebührte. Ich wollte dringend vom Tresen fort und die Stimme finden, die bei meinem Lied die Aloine gesungen hatte. Wir plauderten ein wenig, lächelten einander an und gingen dann mit netten Worten auseinander. Als ein Bild sich anmutig bewegender Kurven verschwand sie in der Menge.
    »Was war denn das für eine peinliche Nummer?«, fragte Wilem, nachdem sie gegangen war.
    »Was?«
    »Was?«, äffte er mich nach. »Wie kann man denn dermaßen blind sein? Wenn ein so schönes Mädchen mich auch nur mit einem Auge so angeguckt hätte, wie sie dich mit beiden Augen angeguckt hat … dann hätten wir uns vorsichtig gesagt schon längst ein Zimmer genommen.«
    »Sie war nur freundlich zu mir«, protestierte ich. »Und wir haben uns unterhalten. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr ein paar Harfengriffe beibringen könnte, aber es ist schon lange her, dass ich das letzte Mal Harfe gespielt habe.«
    »Und es wird auch so bald nicht wieder dazu kommen, wenn du weiterhin derartige Avancen ignorierst«, entgegnete Wilem. »Es hätte ja nur noch gefehlt, dass sie allein für dich ihr Dekolleté noch weiter aufgeknöpft hätte.«
    Sim beugte sich herüber und legte mir eine Hand auf die Schulter, ganz der besorgte Freund. »Kvothe, genau darüber wollte ich mit dir sprechen. Wenn du tatsächlich nicht bemerkt haben solltest, dass sie an dir interessiert war, solltest du dir vielleicht mal eingestehen, dass du mit Frauen einfach überhaupt nichts anzufangen weißt. Vielleicht wäre die Priesterlaufbahn das Richtige für dich.«
    »Ihr seid doch beide besoffen«, wehrte ich mich, wurde aber trotzdem rot. »Habt ihr das mitgekriegt? Sie ist die Tochter eines Stadtrats.«
    »Hast du das mitgekriegt«, entgegnete Wilem im gleichen Ton, »wie sie dich angesehen hat?«
    Mir war klar, dass ich was Frauen anging, völlig unerfahren war, aber gestehen wollte ich das nicht. Also wischte ich diese Bemerkung mit einer Geste beiseite und stieg von meinem Hocker. »Ich bezweifle irgendwie, dass sie auf eine schnelle Nummer hinterm Tresen aus war.« Ich trank einen Schluck Wasser und richtete meinen Umhang. »Jetzt muss ich endlich meine Aloine finden und mich von ganzem Herzen bei ihr bedanken. Wie sehe ich aus?«
    »Was spielt das schon für eine Rolle?«, entgegnete Wilem.
    Simmon berührte ihn am Ellenbogen. »Siehst du denn nicht? Er ist auf größere Beute aus als auf irgend so eine tief dekolletierte Stadtratstochter.«
    Ich wandte mich mit einer verständnislosen Geste ab und mischte mich unter das Publikum.
    Im Grunde hatte ich keine Ahnung, wie ich sie finden sollte. Eine töricht-romantische innere Stimme flüsterte mir ein, dass ich sie schon erkennen würde, wenn ich sie sah. Wenn sie auch nur halb so viel Ausstrahlung hätte wie ihre Stimme, würde sie wie eine Kerze in der Dunkelheit aufleuchten.
    Doch als ich darüber nachdachte, flüsterte eine klügere innere Stimme mir etwas anderes ein. Setz bloß keine Hoffnungen darauf, dass irgendeine Frau so sein kann wie die Stimme, die den Part der Aloine gesungen hat . Diese Stimme war zwar nicht tröstlich, aber ich wusste, dass sie klug war. Ich hatte auf den Straßen von Tarbean gelernt, auf sie zu hören, und dort hatte sie mir oft das Leben gerettet.
    Ich ging im Eolian umher und suchte, ohne zu wissen, nach wem ich suchen sollte. Einige Leute lächelten oder winkten mir zu. Nach fünf Minuten hatte ich alle Gesichter gesehen, die es hier zu sehen gab, und stieg in den ersten Rang hinauf.
    Statt Sitzreihen standen hier auf mehreren Ebenen Tische und Stühle, von denen man einen guten Blick auf die Bühne hatte. Und

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