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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Messingschild. Ich würde dich begleiten, aber wir sind gerade unterbesetzt, und ich darf den Empfang nicht verlassen.«
    Ich nickte und ging den Korridor entlang. Ich lächelte, als ich Wil leise die Melodie von Esel, dummer Esel summen hörte. Dann fiel die Tür mit einem gedämpften Laut hinter mir ins Schloss. Auf dem Korridor war es so still, dass ich nur meinen eigenen Atem hörte. Als ich an der richtigen Tür angelangt war, hatte ich schweißfeuchte Hände. Ich klopfte an.
    »Herein!«, rief Lorren. Seine Stimme glich in ihrer Emotionslosigkeit einer glatten, grauen Schiefertafel.
    Ich öffnete die Tür. Lorren saß hinter einem riesigen, halbkreisförmigen Schreibtisch. Sämtliche Wände waren mit Bücherregalen zugestellt.
    Er sah mich kühl an. Selbst im Sitzen war er fast so groß wie ich. »Guten Morgen.«
    »Ich weiß, dass ich hier in der Bibliothek Hausverbot habe, Meister«, beeilte ich mich zu sagen. »Ich hoffe, ich verstoße nicht dagegen, wenn ich zu Euch komme, um mit Euch zu sprechen.«
    »Nicht, wenn du mit lauteren Absichten kommst.«
    »Ich habe ein wenig Geld verdient«, sagte ich und griff nach meinem Geldbeutel. »Und ich hoffte, ich könnte mein Exemplar von Rhetorik und Logik zurückkaufen.«
    Loren nickte und erhob sich. Groß, glatt rasiert und in seinem dunklen Talar erinnerte er mich an die Figur des rätselhaften schweigsamen Doktors, die in vielen modeganischen Theaterstücken eine Rolle spielt. Ein leichtes Schaudern überlief mich, und ich versuchte nicht daran zu denken, dass das Auftauchen des Doktors stets bedeutete, dass es im nächsten Akt zu einer Katastrophe kam.
    Lorren ging zu einem Regal und zog ein kleines Buch hervor. Ich erkannte es auf Anhieb. Auf dem Einband war ein dunkler Fleck noch aus der Zeit, als es in Tarbean bei einem Gewitter feucht geworden war.
    Ich nestelte an den Schnüren meines Geldbeutels herum und stellte fest, dass mir die Hände ein wenig zitterten. »Zwei Silberpennys waren es, glaube ich.«
    Lorren nickte.
    »Darf ich Euch ein wenig mehr bezahlen? Wenn Ihr es nicht für mich gekauft hättet, hätte ich es nie wiederbekommen. Ganz zu schweigen davon, dass Ihr mir mit diesem Kauf die Zulassung sehr erleichtert habt.«
    »Zwei Silberpennys genügen vollauf.«
    Ich legte die Münzen auf den Tisch. Sie klirrten ein wenig, weil mir die Hände zitterten. Lorren hielt mir das Buch hin, und ich wischte mir die feuchten Handflächen am Hemd ab, bevor ich es nahm. Ich schlug es bei Bens Widmung auf und lächelte. »Vielen Dank, dass Ihr es aufbewahrt habt, Meister Lorren. Es ist mir sehr lieb und teuer.«
    »Ein einzelnes Buch aufzubewahren macht keine Mühe«, erwiderte er und kehrte auf seinen Platz zurück. Ich wartete ab, ob er noch etwas sagen würde. Er tat es nicht.
    »Ich …« Ich hatte einen Kloß im Hals und musste mich räuspern. »Ich wollte Euch außerdem sagen, dass es mir sehr Leid tut …« Ich scheute davor zurück, die offene Flamme zu erwähnen. »… was ich damals getan habe.«
    »Ich nehme deine Entschuldigung an, Kvothe«, sagte Lorren und versenkte sich wieder in das Buch, das er gelesen hatte, als ich hereingekommen war. »Guten Morgen.«
    Ich schluckte gegen die Trockenheit in meinem Mund an. »Und ich habe mich außerdem gefragt, ob ich eines Tages wohl wieder Zugang zur Bibliothek erlangen könnte.«
    Lorren sah mich an. »Man hat dich mit einer offenen Flamme inmitten meiner Bücher erwischt«, sagte er, und in seinem Tonfall leuchtete ein klein wenig Emotion auf, wie die Ahnung eines Sonnenuntergangs hinter einer schiefergrauen Wolkenwand.
    »Meister Lorren«, sagte ich flehend. »Ich wurde an diesem Tag ausgepeitscht und war nicht ganz bei Sinnen. Und Ambrose –«
    Lorren hob die langfingrige Hand. Diese bedachtsame Geste schnitt mir schneller das Wort ab, als eine Ohrfeige es vermocht hätte. Sein Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos. »Wem soll ich glauben? Einem Re’lar im dritten Jahr oder einem E’lir im zweiten Monat? Einem Bibliothekar in meinen Diensten oder einem unbekannten Studenten, der des unbefugten Einsatzes der Sympathie für schuldig befunden wurde?«
    Ich gewann ein wenig meine Fassung zurück. »Ich habe vollstes Verständnis für Eure Entscheidung, Meister Lorren. Aber gibt es irgendetwas, das ich tun könnte, um mir die Wiederzulassung zu verdienen?«, fragte ich und konnte meine Stimme dabei nicht völlig frei von Verzweiflung halten. »Ich würde mich lieber noch einmal auspeitschen lassen

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