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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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von uns beiden recht geben.

    Nachdem ich das Handwerkszentrum verlassen hatte, ging ich schnurstracks zum Goldenen Ross , dem wahrscheinlich besten Wirtshaus auf dieser Seite des Flusses. Der Wirt war ein kahlköpfiger, beleibter Mann namens Caverin. Ich zeigte ihm mein Abzeichen aus dem Eolian und feilschte eine Viertelstunde lang mit ihm.
    Das Ergebnis war, dass ich freie Kost und Logis bekam, wenn ichan drei Tagen die Spanne dort aufspielte. Die Küche war erstklassig, und meine Gemächer umfassten ein Schlaf-, ein Ankleide- und ein Wohnzimmer. Das war ein riesiger Fortschritt gegenüber meiner schmalen Pritsche im Mews.
    Doch das Beste war, dass ich dort zusätzlich pro Monat zwei Silbertalente verdiente. Für jemanden, der so lange so arm gewesen war wie ich, war das eine geradezu abenteuerliche Summe. Und Trinkgelder und Geschenke wohlhabender Gäste kamen noch hinzu.
    Mit den Auftritten dort, der Arbeit im Handwerkszentrum und der baldigen Aussicht auf einen reichen Schirmherrn konnte ich nun endlich einige dringend nötige Dinge anschaffen: Mich neu einkleiden, mir anständige Federn und gutes Papier zulegen, neue Schuhe kaufen …
    Wenn ihr nie wirklich arm wart, könnt ihr vermutlich nicht nachvollziehen, was für eine Erleichterung das für mich war. Seit Monaten rechnete ich damit, dass meine Schuhe endgültig auseinander fallen würden, und ich wusste, dass jede kleine Unregelmäßigkeit meinen Ruin bedeuten konnte. Nun aber musste ich mir nicht mehr tagaus tagein Sorgen darüber machen, ob ich die Studiengebühren des nächsten Trimesters oder die Zinsen für meine Schulden bei Devi würde bezahlen können. Ich war nicht mehr in der Gefahr, die Universität verlassen zu müssen.
    Zum Abendessen gönnte ich mir nach einer vorzüglich gewürzten Tomatensuppe ein köstliches Hirschsteak mit Blattsalat. Dazu gab es frische Pfirsiche und Pflaumen und Weißbrot mit Süßrahmbutter. Und obwohl ich nicht einmal darum gebeten hatte, kredenzte man mir etliche Gläser eines wunderbaren vintischen Rotweins.
    Anschließend zog ich mich in meine Gemächer zurück und schlief in meinem neuen, riesigen Federbett wie ein Stein.

Kapitel 61
    Eselei

    N achdem die Prüfung nun bestanden war, hatte ich bis zum Beginn des Herbsttrimesters keine weiteren Verpflichtungen mehr. Ich verbrachte die Tage damit, Schlaf nachzuholen, in Kilvins Werkstatt zu arbeiten und meine neue, luxuriöse Unterkunft im Goldenen Ross zu genießen.
    Außerdem ging ich oft nach Imre, meist unter dem Vorwand, Threpe zu besuchen oder mich im Eolian mit anderen Musikern zu treffen. In Wirklichkeit aber hoffte ich, Denna zu finden.
    Sie war offenbar aus der Stadt verschwunden. Ich erkundigte mich bei einigen Leuten, bei denen ich davon ausgehen konnte, dass sie es nicht weitertratschen würden, aber keiner von ihnen wusste mehr über sie als Deoch. Kurz überlegte ich, Sovoy nach ihr zu fragen, ließ den Gedanken aber schnell wieder fallen.
    Nach dem sechsten vergeblichen Ausflug nach Imre entschied ich, es aufzugeben. Nach dem neunten war ich mir sicher, dass die Suche reine Zeitverschwendung war. Nach dem vierzehnten wurde mir endgültig klar, dass ich sie nicht finden würde. Sie war tatsächlich verschwunden. Wieder einmal.

    Bei einem dieser Besuche im Eolian überbrachte mir Graf Threpe schlechte Neuigkeiten. Ambrose, der Erstgeborene des reichen und mächtigen Barons Jakis, hatte offenbar die feine Gesellschaft von Imre unermüdlich bearbeitet. Er hatte Gerüchte gestreut, Drohungen ausgesprochen und überhaupt den ganzen Adel gegen michaufgebracht. Er konnte zwar nicht verhindern, dass mir von meinen Musikerkollegen Achtung entgegengebracht wurde, sehr wohl konnte er aber verhindern, dass ich einen reichen Schirmherrn fand. Zum ersten Mal bekam ich einen Eindruck davon, welche Schwierigkeiten Ambrose mir bereiten konnte.
    Threpe war bedrückt und kleinlaut, ich aber schäumte vor Wut. Wir tranken viel zu viel Wein und zeterten gegen Ambrose Jakis. Schließlich wurde Threpe auf die Bühne gerufen, wo er ein ätzendes kleines Lied aus seiner eigenen Feder zum Besten gab, das sich über einen Stadtrat von Tarbean lustig machte. Er erntete viel Gelächter und Applaus.
    Nun war es nur noch ein kleiner Schritt, auch über Ambrose ein Lied zu schreiben. Threpe war ein unverbesserliches Klatschmaul mit einem Hang zu geschmacklosen Zweideutigkeiten, und mir war es seit jeher gegeben, eingängige Melodien zu erfinden. Binnen nicht einmal einer Stunde

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