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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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getarnt.
    Wie viel hatte das Wirtshaus gekostet? Tausend Talente? Fünftausend? Ich hatte keine Ahnung, wie viel ein Wirtshaus wie das Goldene Ross wert war. Und noch bestürzender war, wie schnell er das alles auf die Beine gestellt hatte.
    Das ließ mich die Dinge mit anderen Augen sehen. Ich wusste zwar, dass Ambrose reich war, doch ehrlich gesagt, war verglichen mit mir jedermann reich. Aber ich hatte nie darüber nachgedacht, wie reich er wohl wirklich war, oder wie er diesen Reichtum dazu einsetzen konnte, mir zu schaden. Ich bekam vorgeführt, welche Macht der Erstgeborene eines reichen Barons ausüben konnte.
    Zum ersten Mal war ich froh über den strikten Verhaltenskodex an der Universität. Wenn Ambrose willens war, so weit zu gehen, konnte ich mir nur vage ausmalen, zu welch drastischen Maßnahmen er greifen würde, wäre er nicht gezwungen, den äußeren Schein zu wahren.
    Eine junge Frau stieß die Eingangstür des Wirtshauses auf. »Verdammt noch mal, Anker!«, rief sie. »Ich schufte mir hier drin den Rücken krumm, und du faulenzt da draußen. Komm sofort rein!«
    Anker murmelte etwas, nahm die Leiter und verstaute sie seitlich am Haus. »Was hast du dem Kerl denn eigentlich getan?«, fragte er. »Seine Mutter geknallt?«
    »Ich habe ein Lied über ihn geschrieben.«
    Anker öffnete die Tür des Wirtshauses, und das Stimmengewirr aus dem Schankraum drang auf die Straße. »Na, das Lied würde ich ja gerne mal hören.« Er grinste. »Spiel es uns doch mal vor.«
    »Wenn du meinst«, sagte ich und konnte mein Glück noch gar nicht fassen. »Aber das gäbe bestimmt Ärger.«
    »Ärger«, sagte er und lachte. »Was weiß ein Junge wie du denn schon von Ärger? Ich hatte schon Ärger, da warst du noch gar nicht auf der Welt. Ich hatte schon Ärger, wie du ihn dir überhaupt nicht vorstellen kannst.« Er wandte sich zu mir um, immer noch in der Tür stehend. »Wir hatten lange keine Musik mehr hier. Und ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt. Zu einer anständigen Schenke gehört Musik.«
    Ich lächelte. »Das sehe ich genauso.«
    »Ehrlich gesagt, würde ich dich auch bloß engagieren, um diesem reichen Schnösel eins auszuwischen«, sagte Anker. »Aber wenn du auch noch gut spielst …« Er zog die Tür weiter auf und verwandelte die Geste in eine Einladung. Ich roch Sägemehl und Arbeiterschweiß und frisches Brot.
    Bis zum Ende des Abends war alles geregelt. Ich spielte an vier Abenden die Spanne in dem Wirtshaus und erhielt dafür ein kleines Zimmer im zweiten Stock. Wenn ich zu den Mahlzeiten da war, bekam ich einen Teller von dem, was gerade auf den Tisch kam. Zugegeben, Anker sicherte sich die Dienste eines ausgezeichneten Musikers zum Schleuderpreis, aber es war ein Geschäft, auf das ich mich gerne einließ. Alles war besser, als ins Mews zurückkehren zu müssen und von meinen Schlafsaalgenossen insgeheim verachtet zu werden.
    Mein kleines Zimmer befand sich unter zwei Dachschrägen und war nur mit einem kleinen Schreibpult, einem Stuhl und einem einzelnen Regalbrett möbliert. Das Bett war flach und schmal wie mein Bett im Schlafsaal im Mews.
    Ich legte mein etwas ramponiertes Exemplar von Rhetorik und Logik auf das Regal. Die Laute stellte ich in eine Ecke. Durch das Fenster sah ich die Lichter der Universität. Ich hatte ein neues Zuhause.

    Im Nachhinein schätze ich mich glücklich, dass ich schließlich im Anker’s landete. Das Publikum dort war zwar nicht so zahlungskräftig wie im Goldenen Ross , wusste mich aber viel mehr zu schätzen.
    Und während meine Gemächer im Goldenen Ross luxuriös gewesen waren, war mein Zimmer im Anker’s gemütlich. Das ist so wie mit Schuhen. Da will man ja auch nicht die größten, die es gibt. Man will die, die einem passen. Im Laufe der Zeit fühlte ich mich in dem kleinen Zimmer im Anker’s heimischer als irgendwo sonst auf der Welt.
    In diesem Augenblick jedoch war ich immer noch außer mir vor Wut darüber, was Ambrose mir alles genommen hatte. Als ich mich also hinsetzte, um mein öffentliches Entschuldigungsschreiben zu verfassen, triefte es förmlich vor giftiger Aufrichtigkeit. Es war ein Kabinettstückchen. Ich schlug mir vor Reue mit Fäusten vor die Brust. Ich war ganz Heulen und Zähneklappern, weil ich einen Kommilitonen verleumdet hatte. Ich fügte den Text des Liedes bei, inklusive zweier neuer Strophen und der vollständigen Noten. Dann entschuldigte ich mich bis ins Detail für jede einzelne vulgäre Andeutung, die in dem Lied

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