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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wann ich zurückkehren konnte, alles, was irgendeinen Wert besaß, in meinen Reisesack. Unter einem Stapel Papiere entdeckte ich ein kleines Klappmesser, das ich ganz vergessen hatte. Ich hatte es Sim beim Kartenspielen abgeknöpft. In einem Kampf würde es mir zwar nicht viel nützen, aber es war besser als nichts.
    Dann schnappte ich meine Laute und meinen Umhang und schlich mich nach unten in die Küche, wo ich das Glück hatte, eine leere Weinamphore mit großer Öffnung zu finden.
    Ich brach in Richtung Osten auf und überquerte den Fluss, ging aber nicht ganz bis nach Imre. Vielmehr bog ich nach Süden ab, wo ein paar Anleger in den mächtigen Omethi ragten und am Ufer ein schäbiges Wirtshaus und noch ein paar weitere Gebäude standen. Von diesem Hafen aus wurde Imre beliefert; er war so klein, dass er nicht einmal einen eigenen Namen hatte.
    Ich stopfte den Rest meines blutigen Hemds in die Amphore und verschloss sie wasserdicht mit Sympathiewachs. Dann warf ich sie in den Omethi und sah zu, wie sie langsam flussabwärts trieb. Wenn die Männer anhand meines Bluts nach mir suchten, würde es so aussehen, als wäre ich nach Süden unterwegs. Hoffentlich folgten sie ihrem Kompass.

Kapitel 70
    Zeichen

    A ls ich am nächsten Morgen in aller Frühe erwachte, wusste ich nicht genau, wo ich war. Ich wusste nur, dass ich nicht da war, wo ich hätte sein sollen, und dass irgendetwas nicht stimmte. Ich hatte mich versteckt. Irgend jemand verfolgte mich.
    Ich lag zusammengerollt in der Ecke eines kleinen Zimmers. Die Bettdecke hatte ich mir untergelegt und mich mit meinem Umhang zugedeckt. Ich befand mich in einem Wirtshaus … Langsam fiel es mir wieder ein. Ich hatte mir in einem Wirtshaus in der Nähe des Hafens von Imre ein Zimmer genommen.
    Beim Aufstehen streckte ich mich vorsichtig, um meine Wunde nicht zu belasten. Ich hatte eine Kommode vor die einzige Tür des Zimmers geschoben und das Fenster mit einem Strick zugebunden, obwohl es so klein war, dass ein erwachsener Mann gar nicht hindurch gepasst hätte.
    Als ich diese Vorsichtsmaßnahmen im kühlblauen Morgenlicht erblickte, war mir das ein wenig peinlich. Ich wusste nicht mehr, ob ich aus Furcht vor Attentätern oder Bettwanzen auf dem Boden geschlafen hatte. Wie dem auch sein mochte – es war nicht zu übersehen, dass ich in dieser Nacht keinen allzu klaren Kopf mehr gehabt hatte.
    Ich nahm meinen Reisesack und meine Laute und ging nach unten. Erst mal musste ich Pläne schmieden und brauchte ein Frühstück und ein Bad.

    Es war erst kurz nach Sonnenaufgang, und so kam ich im Badehaus schnell dran. Als ich mich gewaschen und den Verband erneuert hatte, kam ich mir schon fast wieder wie ein Mensch vor. Und nach einem Teller Rührei, Würstchen und Bratkartoffeln hatte ich das Gefühl, dass ich nun anfangen konnte, nüchtern über meine Situation nachzudenken. Es ist erstaunlich, wie viel leichter es einem fällt, konstruktiv nachzudenken, wenn man sich zuvor sattgegessen hat.
    Ich saß in der hinteren Ecke des Schankraums und trank einen Krug frisch gepressten Apfelsaft. Ich fürchtete nicht mehr, dass sich Attentäter auf mich stürzen würden. Dennoch saß ich mit dem Rücken zur Wand und mit dem Blick zur Tür.
    Die vorige Nacht hatte mich vor allem deshalb so mitgenommen, weil ich auf so etwas überhaupt nicht gefasst war. In Tarbean musste ich tagaus tagein damit rechnen, dass jemand versuchen würde, mich zu töten. Doch die zivilisierte Atmosphäre an der Universität hatte mich in falscher Sicherheit gewiegt. Ein Jahr zuvor hätte ich mich niemals so überrumpeln lassen. Und ein Angriff hätte mich ganz sicher auch nicht überrascht.
    Die in Tarbean erworbenen Instinkte rieten mir zur Flucht. Lass diesen Ort und lass Ambrose und diese Fehde weit hinter dir zurück. Doch dieser Teil meines Bewusstseins sorgte sich nur um meine Sicherheit. Er hatte keinen Plan.
    Ich konnte nicht fort. Ich hatte hier viel zu viel investiert. Mein Studium. Meine kleine Hoffnung, einen Schirmherrn zu finden, und meine große Hoffnung, wieder Zugang zur Bibliothek zu erlangen. Meine wenigen Freunde. Denna …
    Seeleute und Hafenarbeiter kamen in den Schankraum, um zu frühstücken, und der Raum füllte sich mit leisem Stimmengewirr. Ich hörte in der Ferne eine Glocke läuten, und da fiel mir ein, dass ich in einer Stunde in der Mediho sein musste. Arwyl würde es bemerken, wenn ich fehlte, und er war in solchen Dingen nicht sehr nachsichtig. Ich kämpfte gegen das

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