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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Vorschuss und ein Haar bekommen. Wir wissen keine Namen. Wir treffen die Leute gar nicht. Ich schwöre …«
    Ein Haar. Was er als ›Peiler‹ bezeichnet hatte, war wahrscheinlichein Wünschelkompass. Ich konnte etwas so Anspruchsvolles zwar noch nicht bauen, wusste aber, wie es prinzipiell funktionierte. Mit einem Haar von mir fand man mich mit diesem Gerät überall.
    »Wenn ihr mir jemals wieder unter die Augen kommt, werde ich Schlimmeres auf euch herabbeschwören als nur Blitze«, sagte ich drohend und ging weiter zum Ausgang der Gasse. Wenn es mir gelang, den Wünschelkompass an mich zu nehmen, musste ich mir keine Sorgen machen, dass sie mich womöglich ein weiteres Mal aufspüren würden. Es war dunkel, und ich hatte die Kapuze meines Umhangs auf. Möglicherweise wussten sie gar nicht, wie ich aussah.
    »Vielen Dank, Sir«, stammelte der Mann. »Ich schwöre Euch, Ihr werdet uns nie wieder sehen. »Vielen, vielen Dank …«
    Ich sah mir den hingestürzten Mann an. Eine Hand lag auf dem Pflaster, aber sie war leer. Ich sah mich um, fragte mich, ob er das Gerät hatte fallen lassen. Wahrscheinlich hatte er es eher eingesteckt. Ich trat zu ihm, hielt den Atem an und tastete seinen Umhang nach Taschen ab, aber der Umhang hing unter ihm fest. Dann packte ich seine Schulter und drehte ihn vorsichtig …
    In diesem Moment stöhnte er leise und drehte sich von sich aus auf den Rücken. Sein Arm klappte aufs Pflaster und schlug mir ans Bein.
    Ich würde jetzt gerne behaupten, dass ich einen Schritt zurücktrat, da ich ja wusste, dass der Größere der beiden immer noch benommen und geblendet sein musste. Ich würde euch gerne erzählen, dass ich ganz ruhig blieb und mein Bestes gab, um die beiden noch mehr einzuschüchtern. Oder wenigstens, dass ich noch etwas Dramatisches oder sogar Witziges sagte, ehe ich ging.
    Doch das wäre gelogen. In Wahrheit lief ich fort wie ein verängstigtes Reh. Ich legte gut eine Viertelmeile zurück, bevor meine geblendeten Augen mich in der Dunkelheit im Stich ließen und ich gegen ein gespanntes Seil lief und unter Schmerzen zu Boden ging. Halb blind und blutend lag ich da. Und erst da wurde mir klar, dass ich gar nicht mehr verfolgt wurde.
    Ich kämpfte mich wieder hoch und verwünschte mich. Wenn ich vernünftig gewesen wäre, hätte ich den Wünschelkompass an mich genommen und wäre so vor Nachstellungen sicher gewesen. Nun aber musste ich andere Vorsichtsmaßnahmen treffen.
    Ich ging zum Anker’s , doch als ich dort eintraf, brannte kein Licht mehr, und die Tür war abgeschlossen. Also kletterte ich, noch halb betrunken und verletzt, wie ich war, zu meinem Fenster hinauf und zog daran … Aber es ließ sich nicht öffnen.
    Es war mindestens eine Spanne her, dass ich so spät heimgekommen war, dass ich durchs Fenster hatte steigen müssen. Waren die Scharniere eingerostet?
    Ich stützte mich an der Mauer ab, zog meine Handlampe hervor und stellte sie auf die schwächste Stufe. Erst da entdeckte ich, dass etwas in der Fensterritze steckte. Hatte Anker mein Fenster mit einem Keil verriegelt?
    Doch als ich es berührte, zeigte sich, dass es gar kein Holz, sondern ein gefaltetes Blatt Papier war. Ich zog es heraus, und das Fenster ließ sich leicht öffnen.
    Mein Hemd war ruiniert, doch als ich es auszog, war ich erleichtert. Die Schnittwunde war nicht tief. Sie verlief unregelmäßig und tat sehr weh, war aber nicht so schlimm wie die, die ich mir bei der Auspeitschung zugezogen hatte. Der Umhang, den Fela mir geschenkt hatte, war ebenfalls aufgerissen, was ärgerlich war. Aber letztlich ließ er sich leichter flicken als eine Niere. Ich nahm mir vor, Fela dafür zu danken, dass sie einen so festen Stoff ausgesucht hatte.
    Doch das Flicken des Umhangs konnte warten. Womöglich hatten sich die beiden Männer von dem Schreck, den ich ihnen eingejagt hatte, bereits wieder erholt und suchten vielleicht schon wieder nach mir.
    Ich stieg wieder zum Fenster hinaus und ließ den Umhang zurück, damit er kein Blut abbekam. Ich baute ganz darauf, dass mich zu dieser späten Stunde niemand sah. Gar nicht auszudenken, was für Gerüchte die Runde machen würden, wenn mich jemand erblickte, wie ich mitten in der Nacht blutend und mit nacktem Oberkörper über die Dächer lief.
    Ich lief zum Dach eines Mietstalls, von dem aus man auf den Hof mit dem Fahnenmast sah. Unterwegs sammelte ich eine Hand voll Blätter.
    Im Mondschein konnte ich dort unten das Laub übers Kopfsteinpflaster trudeln

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