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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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heute früh für eine Geschichte gehört habe«, sagte sie belustigt.
    Trotz der Dringlichkeit meines Anliegens zwang ich mich, locker zu bleiben. Devi ließ sich nicht gerne hetzen, und wenn ich es versucht hätte, hätte ich sie damit nur verärgert. »Was hast du denn gehört?«
    Sie ließ sich auf ihrer Seite des Schreibtisches nieder und faltete die Hände. »Anscheinend haben heute Nacht zwei Rohlinge versucht, einem jungen Studenten die Geldbörse abzuknöpfen. Doch zu ihrem Entsetzen mussten sie feststellen, dass sie es mit einem angehenden Großmagier zu tun hatten. Er hat Feuer und Blitze auf sie herabbeschworen. Der eine ist seither blind, und dem anderen hat er einen solchen Schlag an den Kopf verpasst, dass er immer noch nicht wieder bei Bewusstsein ist.«
    Ich saß einen Moment lang ganz still da und verdaute diese Neuigkeiten. Noch eine Stunde zuvor wäre das die beste Nachricht gewesen, die man mir hätte bringen können. Jetzt aber war es kaum mehr als eine Bagatelle, die mich nur ablenkte. Trotzdem musste ich die Gelegenheit nutzen, mehr über diese Geschichte zu erfahren. »Sie wollten mich nicht nur ausrauben«, sagte ich.
    Devi lachte. »Wusste ich doch, dass du das warst! Über den Studenten wussten sie weiter nichts, nur dass er rote Haare hat. Da war mir alles klar.«
    »Und der eine ist tatsächlich blind? Und der andere immer noch bewusstlos?«
    »Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, räumte Devi ein. »Im zwielichtigen Milieu verbreiten sich Nachrichten schnell, aber meistens sind es bloß Gerüchte.«
    Das lieferte mir die Idee für einen neuen Plan. »Hättest du nicht Lust, selbst auch ein paar Gerüchte zu verbreiten?«, fragte ich.
    »Kommt drauf an.« Sie lächelte schalkhaft. »Wenn es was Aufregendes ist …«
    »Erwähne meinen Namen«, sagte ich. »Lass sie wissen, wer es war. Und lass sie wissen, dass ich sehr wütend bin und den Nächsten, der mir nachstellt, töten werde. Ich werde ihn töten und auch seinen Auftraggeber. Dazu sämtliche Mittelsmänner, ihrer aller Familien, ihre Hunde und so weiter.«
    Auf Devis hocherfreuter Miene machte sich Widerwillen breit. »Das wäre doch aber ein wenig arg grausam, findest du nicht? Ich weiß es ja zu schätzen, dass du an deinem Geldbeutel hängst«, sagte sie und warf mir einen neckischen Blick zu, »auf den ich ja auch gewisse Ansprüche habe. Aber das wäre dann doch –«
    »Das waren keine Räuber«, sagte ich. »Die hatten den Auftrag, mich umzubringen.« Devi sah mich skeptisch an. Ich lüftete mein Hemd und zeigte ihr den Verband. »Das ist mein Ernst. Ich kann dir die Stichwunde zeigen, die einer der beiden mir beigebracht hat, bevor ich ihnen entwischt bin.«
    Sie stand auf und kam um den Schreibtisch herum. »Zeig her.«
    Ich zögerte, beschloss dann aber, dass ich ihr lieber ihren Willen lassen sollte, da ich sie ja noch um einen Gefallen bitten wollte. Ich zog mir das Hemd aus und legte es auf den Tisch.
    »Der Verband ist schmutzig«, sagte sie, so als wäre das eine eigens gegen sie gerichtete Beleidigung. »Mach ihn ab.« Sie ging zu einem Schrank und kam mit einer schwarzen Arzttasche und einem kleinen Waschbecken wieder. Sie wusch sich die Hände und betrachtete dann die Wunde. »Du hast das ja nicht mal nähen lassen«, sagte sie ungläubig.
    »Ich hatte keine Zeit«, erwiderte ich. »Ich musste weglaufen und mich die ganze Nacht verstecken.«
    Sie überhörte das und machte sich daran, die Wunde zu säubern, mit einer Gründlichkeit, die mir verriet, dass sie an der Mediho studiert hatte. »Eine unebene Wunde, aber nicht tief«, sagte sie und nahm dann ein paar Sachen aus ihrer Tasche. »Trotzdem muss das genäht werden.«
    »Ich hätte es selber gemacht«, sagte ich. »Aber …«
    »… aber du bist ein Idiot und hast die Wunde noch nicht mal richtig gesäubert«, schloss sie. »Wenn sich das nun entzündet, geschieht es dir recht.«
    Als sie mit dem Säubern fertig war, wusch sie sich in dem Waschbecken die Hände. »Ich will, dass du eins weißt: Ich mache das hier, weil ich eine Schwäche für hübsche Jungs habe und für Geistesgestörte und für Leute, die mir Geld schulden. Ich schütze damit eine Investition.«
    »Jawohl, Ma’am.« Ich sog zischend Luft durch die Zähne, als sie das Antiseptikum auftrug.
    »Und ich dachte, du blutest nicht«, sagte sie. »Schon wieder so eine Legende, die sich als haltlos erweist.«
    »Apropos.« Mit so wenig Bewegung wie möglich zog ich ein Buch aus meinem Reisesack

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