Der Name Des Windes
Straßen so ist. Der Wirt atmete die Herbstluft tief ein und sah sich unruhig um, so als erwarte er, dass etwas geschehen würde.
Er nannte sich Kote. Er hatte diesen Namen mit Bedacht gewählt,als er hierher gekommen war. Er hatte aus den üblichen Gründen einen neuen Namen angenommen, aber auch aus ein paar eher unüblichen, unter anderem dem, dass Namen ihm viel bedeuteten.
Als er emporblickte, sah er abertausende Sterne am mondlosen Firmament. Er kannte sie alle, ihre Geschichten und ihre Namen. Sie waren ihm so vertraut wie seine eigenen Hände.
Als er den Blick wieder senkte, seufzte Kote, ohne es zu bemerken, und ging dann wieder hinein. Er verriegelte die Tür und schloss die Läden vor den Fenstern, wie um sich von den Sternen und ihren zahlreichen Namen abzuschotten.
Er kehrte planmäßig den Boden und ließ keine Ecke aus. Er wischte die Tische und den Tresen ab und bewegte sich dabei mit geduldiger Gründlichkeit. Nach einer Stunde Arbeit war das Wasser in seinem Eimer immer noch so sauber, dass eine Dame sich darin die Hände hätte waschen können.
Schließlich zog er sich einen Hocker hinter den Tresen und begann die große Schar von Flaschen zu polieren, die zwischen den beiden mächtigen Fässern stand. Diese Arbeit erledigte er längst nicht so flott wie die vorigen, und bald wurde klar, dass das Polieren der Flaschen nur ein Vorwand war, um etwas zu berühren und festzuhalten. Kote summte dabei sogar ein wenig vor sich hin, auch wenn ihm das nicht bewusst war, und er, wäre es ihm bewusst geworden, sofort damit aufgehört hätte.
Während er die Flaschen in seinen langen, anmutigen Händen drehte, wichen dank der vertrauten Bewegungen einige müde Falten aus seinem Gesicht, und das ließ ihn jünger erscheinen, er war ganz gewiss noch keine dreißig. Nicht einmal Ende zwanzig. Jung für einen Wirt. Jung für einen Mann, auf dessen Antlitz immer noch viele müde Falten waren.
Am oberen Treppenabsatz angelangt, öffnete Kote die Tür. Sein Zimmer war karg, beinahe mönchisch. Mitten im Raum erhob sich ein schwarzer Steinkamin, und davor standen zwei Sessel und ein Schreibpult. Das übrige Mobiliar bestand aus einem schmalen Bettund einer großen dunklen Truhe an dessen Fußende. Nichts schmückte die Wände oder bedeckte den Dielenboden.
Auf dem Flur ertönten Schritte, und ein junger Mann betrat den Raum, mit einer Schale pfeffrig duftendem Eintopf in der Hand. Ein dunkler Typ, gutaussehend, stets zu einem Lächeln aufgelegt und mit verschmitztem Blick. »So spät ist es ja schon seit vielen Spannen nicht mehr geworden«, sagte er und überreichte die Schale. »Da müssen ja tolle Geschichten erzählt worden sein, Reshi.«
Reshi war ein weiterer Name des Wirts, fast ein Spitzname. Als er ihn hörte, verzog er den Mund zu einem schiefen Lächeln und ließ sich dann auf einem der Sessel vor dem Kaminfeuer nieder. »Also, was hast du heute gelernt, Bast?«
»Heute, Meister, habe ich gelernt, warum große Liebhaber bessere Augen haben als große Gelehrte.«
»Und warum ist das so, Bast?«, fragte Kote, und eine leichte Belustigung schlich sich in seinen Tonfall.
Bast schloss die Tür, drehte den zweiten Sessel zum Feuer und zu seinem Lehrer und ließ sich darauf nieder. Er bewegte sich mit einer seltsamen Anmut, so als tanze er beinahe. »Nun, Reshi, die guten Bücher befinden sich alle drinnen, wo das Licht schlecht ist. Schöne Mädchen aber findet man eher draußen im Sonnenschein, und sie sind daher viel einfacher zu studieren, ohne dass man Gefahr läuft, sich die Augen zu verderben.«
Kote nickte. »Ein sehr gewitzter Schüler könnte sich aber auch ein Buch mit nach draußen nehmen und sich so bilden, ohne fürchten zu müssen, dass er womöglich seinem Augenlicht Schaden zufügt.«
»Darauf bin ich auch schon gekommen, Reshi. Da ich ja selbstredend ein sehr gewitzter Schüler bin.«
»Selbstredend.«
»Doch als ich dann einen Platz an der Sonne gefunden hatte, wo ich hätte lesen können, kam ein schönes Mädchen daher und hielt mich von dergleichen ab«, schloss Bast mit schwungvoller Gebärde.
Kote seufzte. »Gehe ich recht in der Annahme, dass es dir heute nicht gelungen ist, auch nur eine einzige Seite im Celum Tinture zu lesen?«
Bast gelang es zumindest, ein wenig beschämt dreinzublicken.
Kote sah ins Feuer und scheiterte bei dem Versuch, eine strenge Miene aufzusetzen. »Ach, Bast, ich hoffe, sie war so lieblich wie ein warmer Wind im Schatten. Ich bin ein
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