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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Seine Augen glichen seinem Schwert, und in beiden spiegelte sich weder der Feuerschein noch die untergehende Sonne.
    Als er mich erblickte, ließ er das Schwert sinken und lächelte mit makellosen, elfenbeinfarbenen Zähnen. Es war ein Gesichtsausdruck wie aus einem Alptraum. Ein Gefühl durchstieß die Verwirrung, die ich wie eine dicke, schützende Decke um mich gerafft hatte. Etwas griff mit beiden Händen tief in meine Brust und drückte zu. Es könnte durchaus das erste Mal in meinem Leben gewesen sein, dass ich wirklich Angst empfand.
    Drüben am Feuer lachte ein graubärtiger Glatzkopf. »Da haben wir wohl ein Häschen übersehen. Pass auf, Cinder, es könnte scharfe Zähne haben.«
    Der Cinder Genannte steckte sein Schwert in die Scheide – mit einem Laut, wie wenn ein Baum unter winterlicher Eislast knackt. Weiter Abstand haltend, kniete er sich hin. Seine Bewegungen gemahnten mich wieder an Quecksilber. Nun auf Augenhöhe mit mir, blickten seine mattschwarzen Augen besorgt. »Wie heißt du, Junge?«
    Ich stand stumm da. Starr wie ein aufgeschrecktes Kitz.
    Cinder seufzte und sah einen Moment lang zu Boden. Als er den Blick wieder hob, sahen mich seine tief liegenden Augen mitleidig an.
    »Junger Mann«, sagte er. »Wo sind denn deine Eltern?« Er sah mir einen Moment lang in die Augen und blickte sich dann zum Feuer um, wo die anderen saßen.
    »Weiß jemand, wo seine Eltern sind?«
    Einige von ihnen lächelten, so als wäre das ein ganz besonders gelungener Scherz. Ein oder zwei lachten laut auf. Cinder wandte sich wieder zu mir, und das Mitleid fiel von ihm ab wie eine zerplatzte Maske und ließ nur das alptraumhafte Lächeln auf seinem Gesicht zurück.
    »Ist das das Lagerfeuer deiner Eltern?«, fragte er mit entsetzlichem Ergötzen.
    Ich nickte wie benommen.
    Sein Lächeln schwand. Mit ausdrucksloser Miene blickte er tief in mich hinein. Seine Stimme war ruhig, kalt und scharf. »Die Eltern von irgendwem«, sagte er, »haben die falschen Lieder gesungen.«
    »Cinder.« Eine kühle Stimme vom Feuer her.
    Er kniff gereizt die Augen zusammen. »Was?«, zischte er.
    »Du erregst mein Missfallen. Der da hat nichts getan. Schick ihn fort, in seinen Schlaf.« Beim letzten Wort stockte die Stimme kurz, als fiele es ihr schwer, es auszusprechen.
    Die Stimme stammte von einem Mann, der etwas abseits der anderen saß, am Rande des Feuers in Schatten gehüllt. Obwohl der Himmel immer noch hell war und sich zwischen dem Feuer und der Stelle, an der er saß, nichts befand, sammelten sich Schatten um ihn wie dickflüssiges Öl. Das Feuer knisterte und züngelte lebhaft und warm, mit leichtem Blaustich, doch sein flackerndes Licht kam ihm nicht nah. Rings um seinen Kopf wurden die Schatten tiefer. Ich erhaschte einen Blick auf eine große Kapuze, wie manche Priester sie tragen, doch darunter war der Schatten so dunkel, als blickte man um Mitternacht in einen Brunnenschacht.
    Cinder blickte kurz zu dem umschatteten Mann hinüber. »Ihr gebt einen guten Aufpasser ab, Haliax«, sagte er barsch.
    »Und du hast anscheinend unsere Ziele aus den Augen verloren«, sagte der dunkle Mann, und sein kühler Tonfall wurde schärfer. »Oder verfolgst du gar andere Ziele als ich?« Die letzten Worte sprach er sehr sorgfältig aus, so als hätte es eine besondere Bewandtnis damit.
    Cinders Arroganz fiel schlagartig von ihm ab, wie wenn ein Wassereimer ausgekippt wird. »Nein«, sagte er und wandte sich wieder zum Feuer. »Nein, ganz gewiss nicht.«
    »Das ist gut. Ich möchte doch nicht, dass unsere lange Bekanntschaft ein jähes Ende nimmt.«
    »Das möchte ich auch nicht.«
    »Frische doch einmal mein Gedächtnis auf. In welchem Verhältnis stehen wir zueinander, Cinder«, sagte der umschattete Mann, und Verärgerung schlich sich in seinen geduldigen Tonfall.
    »Ich … ich bin Euch zu Diensten …« Cinder machte eine beschwichtigende Handbewegung.
    »Du bist ein Werkzeug in meiner Hand«, unterbrach ihn der umschattete Mann. »Weiter nichts.«
    Ein Anflug von Trotz huschte über Cinders Miene. Er zögerte. »Ich –«
    Die leise Stimme hatte nun die Härte von Ramston-Stahl. »Ferula.«
    Cinders quecksilbrige Geschmeidigkeit war wie fortgeblasen. Er schwankte, sein ganzer Leib mit einem Mal starr vor Schmerz.
    »Du bist ein Werkzeug in meiner Hand«, wiederholte die kühle Stimme. »Sag es.«
    Cinders Kiefer bebte kurz vor Wut, und dann krümmte sich der Mann vor Schmerz und schrie und hörte sich dabei eher wie ein

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