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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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verwundetes Tier an als wie ein Mensch. »Ich bin ein Werkzeug in Eurer Hand«, stieß er keuchend hervor.
    »Lord Haliax.«
    »Ich bin ein Werkzeug in Eurer Hand, Lord Haliax«, berichtigte sich Cinder und sank zitternd auf die Knie.
    »Wer kennt die tieferen Bewandtnisse deines Namens, Cinder?« Die Worte wurden mit großer Geduld gesprochen, wie wenn ein Lehrer eine vergessene Lektion hersagt.
    Cinder schlang bebende Arme um seinen Rumpf, krümmte sich und preßte die Augen zu. »Ihr, Lord Haliax.«
    »Wer schützt dich vor den Amyr? Den Sängern? Den Sithe? Vor allem auf der Welt, was dir schaden kann?«, fragte Haliax ruhig und höflich, so als wäre er tatsächlich auf die Antwort gespannt.
    »Ihr, Lord Haliax.« Cinders Stimme war nur noch ein schmerzhaftes Wimmern.
    »Und wessen Zielen dienst du?«
    »Euren Zielen, Lord Haliax«, presste Cinder hervor. »Euren. Keinen anderen.« Die Anspannung verflog, und Cinders Körper erschlaffte. Er fiel nach vorn, auf die Hände, und Schweißtropfen gingen von seinem Gesicht wie ein Regenschauer hernieder. Das weiße Haar hing ihm welk ums Haupt. »Danke, mein Gebieter«, keuchte er. »Ich werde es nicht noch einmal vergessen.«
    »Doch, das wirst du. Dazu sind dir deine kleinen Grausamkeiten viel zu lieb und teuer. Euch allen.« Haliax richtete den Blick nacheinander auf die Gestalten am Feuer. Sie regten sich beklommen. »Ich bin froh, dass ich euch heute begleitet habe. Ihr weicht vom rechten Pfade ab, gebt euch Launen hin. Einige von euch scheinen vergessen zu haben, wonach wir streben, was wir erreichen wollen.«
    Dann wandte er sich wieder an Cinder. »Aber ich verzeihe euch. Dennwer weiß: Ohne diese Erinnerung wäre ich es womöglich, der das vergisst.« Bei den letzten Worten klang er gereizt. »Und nun vollendet, was ihr –« Seine kühle Stimme verstummte, und er neigte die umschattete Kapuze und blickte zum Himmel empor. Erwartungsvolles Schweigen.
    Die Gestalten am Feuer blickten gespannt. Gleichzeitig legten sie den Kopf in den Nacken, als schauten sie alle zur selben Stelle am dämmrigen Himmel, als versuchten sie, Witterung von etwas aufzunehmen.
    Ich hatte mit einem Mal das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich spürte eine Spannung, eine minimale Veränderung der Beschaffenheit der Luft. Ich konzentrierte mich darauf, froh über die Ablenkung, froh über alles, was mich noch ein paar Sekunden weiter davon abhielt, klar zu denken.
    »Sie kommen«, sagte Haliax leise. Er erhob sich, und Schatten umfingen ihn wie ein dunkler Nebel. »Schnell. Zu mir.«
    Die anderen erhoben sich ebenfalls. Cinder kam mühsam auf die Beine und wankte zum Feuer.
    Haliax breitete die Arme aus, und der Schatten um ihn her blähte sich kelchförmig, wie eine sich öffnende Blüte. Dann wandten sich die anderen mit geübter Leichtigkeit und traten einen Schritt auf Haliax zu und in den Schatten hinein. Als sie den Fuß absetzten, verlangsamten sich ihre Bewegungen, und dann lösten sie sich langsam auf, so als wären sie aus Sand, den der Wind verweht. Nur Cinder sah sich noch einmal um, ein Anflug von Wut war in seinem alptraumhaften Blick.
    Dann waren sie alle fort.

    Ich will Euch nicht mit dem belasten, was nun folgte. Wie ich von Leichnam zu Leichnam lief und verzweifelt nach Lebenszeichen suchte, wie Ben es mir beigebracht hatte. Mein vergeblicher Versuch, ein Grab auszuheben. Wie ich im Erdboden scharrte, bis mir die Finger bluteten. Wie ich meine Eltern fand …
    Es war in der dunkelsten Stunde der Nacht, als ich auf unseren Wagen stieß. Unser Pferd hatte ihn fast hundert Meter weit die Straßehinabgezogen, ehe es verendet war. Drinnen sah es ganz normal aus. Besonders verblüffte mich, wie sehr es hinten im Wagen nach den beiden roch.
    Ich zündete sämtliche Lampen und Kerzen an. Das Licht war kein Trost, aber es war das ehrliche Gold echten Feuers, ohne Blau. Ich nahm den Lautenkasten meines Vaters. Ich legte mich ins Bett meiner Eltern, die Laute neben mir. Das Kissen meiner Mutter duftete nach ihrem Haar, nach einer Umarmung. Ich wollte nicht schlafen, aber der Schlaf übermannte mich.
    Ich erwachte hustend. Um mich her stand alles in Flammen. Natürlich die Kerzen. Immer noch vollkommen unter Schock, raffte ich ein paar Dinge in eine Tasche. Ich handelte langsam und planlos und hatte überhaupt keine Angst, als ich Bens Buch unter meiner brennenden Matratze hervorzog. Wie sollte ein simples Feuer mich jetzt noch schrecken?
    Ich legte die Laute meines Vaters in den

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