Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
ich dir erzählt habe«, flüsterte Kass.
»Warum flüsterst du?«, flüsterte Max-Ernest.
»Ich weiß nicht . . . Hallo? Ist da jemand?«, fragte Kass ein klein wenig lauter.
Keine Antwort.
Sie wiederholte die Frage – diesmal zwang sie sich, laut zu schreien. Wieder war die einzige Antwort ihr eigenes Echo.
Es war kein Buch da, kein Bild, kein Möbelstück oder sonst irgendetwas, das man in einem Haus eigentlich erwartete. Aber als sie durch die Räume gingen, spürte Kass dennoch ganz deutlich die Persönlichkeit des toten Magiers. Die Holz-dielen waren an den Stellen ausgetreten, über die er immer wieder gegangen war. An den Türen der Wandschränke waren die Abdrücke seiner Hände zu sehen. Und die holzverkleideten Wände glänzten an den Stellen, wo er sie mit seinen Schultern gestreift hatte.
»Ich glaube, er war ein netter Mann«, sagte Kass.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Max-Ernest.
»Einfach so.«
»Das ist keine Antwort.«
Der einzige Ort, an dem sich überhaupt keine Spuren des Magiers fanden, war die Küche, wo alles entweder nagelneu oder zumindest frisch gestrichen war. Nichts wies darauf hin, dass die Küche schon jemals benutzt worden war, geschweige denn, dass hier ein Feuer gewütet hatte. Sebastian schien die Küche allerdings besonders interessant zu finden. Immer wieder hob er den Kopf und schnüffelte, als hinge der unheilvolle Duft der Vergangenheit noch im Raum.
Auch Kass sog die Luft ein. »Riechst du das?«
»Was denn? Die Farbe?«, fragte Max-Ernest.
»Schwefel.«
»Oh ja. Kann sein. Na ja, eigentlich nicht. Meine Nase ist immer ein wenig verstopft. Ich habe eine krumme Nasenscheidewand.«
»Gibt es etwas, das du nicht hast?«, fragte Kass schnippisch. »Komm mit. Hier ist nichts. Vielleicht finden wir in einem der anderen Räume einen Hinweis.«
»Und wonach genau suchen wir?«
»Das weiß ich erst, wenn ich es sehe.«
Als sie zurück ins Wohnzimmer gingen, riss sich der Hund aus Kassandras festem Griff los und tapste zu einem Bücherregal in der Ecke.
»Warum knurrt er so?«, fragte Max-Ernest nervös.
»Vielleicht hat er einen Käfer aufgespürt.«
»Glaubst du, es ist eins dieser fantastischen Bücherregale, hinter denen sich ein Geheimzimmer verbirgt?«
»Die gibt es nur im Film«, stellte Kass nüchtern fest.
Sie untersuchten die einzelnen Regalbretter, fanden jedoch nichts.
Enttäuscht richteten sie sich auf. Kass betrachtete Max-Ernest neugierig, denn er trippelte auf der Stelle und ballte die Fäuste.
»Ich glaube, ich...ich muss mal ins Bad«, stammelte er.
»Dann geh doch.«
»Meinst du, das ist okay?«
»Warum nicht? Falls es irgendwann einmal einen Atomkrieg gibt, müssen wir alle in unterirdische Bunker. Da kannst du dich auch nicht so anstellen. Außerdem muss jeder mal.«
Kass wartete, während Max-Ernest im Badezimmer verschwand. Sie versuchte, nicht hinzuhören, aber in diesem Haus schien sich jedes Geräusch zu verstärken. Außerdem pinkelten Jungs immer so laut.
Schließlich hörte sie das Rauschen der Toilettenspülung.
Und dann hörte sie zwei Schreie. Der eine kam von Max-Ernest. Und der andere kam von . . . niemandem. Zumindest nicht von einem menschlichen Wesen.
Kapitel sieben
Ein bemerkenswertes Paar
E twa eineinhalb Sekunden lang stand Kass wie erstarrt da. Dann rannte sie los.
Als sie das Badezimmer erreichte, ging die Tür auf und eine magere alte Katze schoss wie der Blitz davon. (Sie war es, wie Kass erleichtert feststellte, die den zweiten Schrei ausgestoßen hatte.)
Max-Ernest stand neben der Toilette. Er schnappte nach Luft und deutete wortlos neben sich. Die Wand hatte sich geöffnet und gab ein großes Geheimzimmer frei.
»Es ist passiert...als ich die Spülung drückte.«
Entschlossen, sich nicht noch einmal von einer Katze oder einem anderen Haustier erschrecken zu lassen, trat Kass mutig durch die Wandöffnung. Max-Ernest folgte ihr zaghaft.
Das Geheimzimmer wurde beherrscht von einem großen Holzschreibtisch, auf dem sich alle möglichen Sachen türmten, die dem Magier gehört hatten.
»Sein Arbeitszimmer«, sagte Kass. Das Durcheinander erinnerte sie an den Antiquitätenladen ihrer Großväter, weshalb sie sich auch gleich wie zu Hause fühlte. »Ich bin sicher, Gloria weiß nichts davon – deshalb liegt so viel Zeug herum. Bestimmt stoßen wir hier auf eine Spur.«
Max-Ernest, der sich noch immer nicht von dem Schrecken erholt hatte, deutete auf eine leere Schale, die für Katzenfutter
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