Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
»Zugegeben, der Ägypten-Stil mag dem ein oder anderen ein wenig exotisch vorkommen. Aber das Ambiente! Wie sagt man in meiner Branche so schön: Auf die Location kommt es an! Und erst die Behandlungen! Himmlisch! Von den Elixieren ganz zu schweigen. Hast du je etwas Köstlicheres vorgesetzt bekommen?«
Sie hielt kurz inne und wartete auf Kassandras Zustimmung. Dann fuhr sie fort: »Weißt du noch, unsere Begegnung in dem Haus? Dr. L hat mir danach ein Itsibitsi-Schlückchen von seinem Spezialtrank gegeben. Und ich war sofort hin und weg. Tags darauf wollte ich mehr davon. Mehr, mehr, mehr! Er sagte, es sei noch zu früh, aber ich habe nicht locker gelassen. Ich bin ihm bis hierher gefolgt. Und ich bin froh, dass ich es getan habe. Sie vollbringen hier wahre Wunder!«
»Mit Wundern hat das nichts zu tun, Madame Fortune.«
Das kam von Dr. L höchstpersönlich, der sich zu ihnen gesellte. Er sah so überlegen und gelassen aus wie immer – wenn auch vielleicht ein ganz klein bisschen irritiert von Glorias Bemerkung.
Gloria zog eine Schnute wie ein gescholtenes Schulmädchen. »Tut mir leid, Doktor. Ihre kleine Gloria ist so dankbar für alles, was Sie getan haben. Für alles, was Sie noch tun...«
»Alles, was wir tun, gründet sich auf Wissenschaft«, sagte Dr. L knapp. »Wenn auch nicht unbedingt darauf, was man gemeinhin unter Wissenschaft versteht. Ich spreche von der wahren Wissenschaft. Der einzigen.«
»Und welche Art von Wissenschaft ist das?«, fragte Max-Ernest, der bisher der Meinung gewesen war, sämtliche Wissenschaften, die es gab, zu kennen.
»Die Wissenschaft der wahren Essenz. Die Wissenschaft, von der alle anderen abstammen«, sagte Dr. L. »Alles auf dieser Erde entspringt der gleichen Substanz. Hat man diesen Stoff erst einmal gefunden, dann ist alles möglich. Blei verwandelt sich in Gold. Alt in Jung. Selbst aus einer mürrischen Immobilienmaklerin wird eine schöne Frau.«
Kass blickte rasch zu Gloria, aber die schien die Beleidigung gar nicht wahrgenommen zu haben, so hingerissen war sie von Dr. L.
»Wie herrlich«, flötete sie. »Und wie heißt diese Wissenschaft? Ist sie ägyptisch?«
In diesem Augenblick betrat Madame Mauvais das Zelt und räusperte sich vernehmlich.
»Das Essen ist bereitet«, sagte sie.
Kapitel vierundzwanzig
Das Festmahl
S elbst Kass, der inzwischen nicht mehr ganz so übel war, die sich jedoch umso mehr über die Situation aufregte, in die sie geraten war, musste zugeben, dass die Tafel großartig aussah. Die Tischdecke bestand nur aus purpurroten Blütenblättern und jedes einzelne Blatt war samtig und makellos. Auf diesem üppigen Purpurbett stand ein Dutzend Kristallleuchter mit Kerzen unterschiedlicher Größe, dazu glitzernde Vasen und Schalen mit exotisch-orientalischen Mustern. An jedem Platz lagen goldfunkelnde Essstäbchen und dekoratives Silberbesteck – zierliche Gabeln, seltsam geschwungene Löffel, nadeldünne Messer, die aussahen wie altertümliche chirurgische Instrumente.
Im Grunde war der Tisch weniger eine Tafel als vielmehr ein Schrein für eine eifersüchtige, herrische Gottheit. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als das Küchenpersonal das Essen hereinbrachte – so feierlich still, als würde in einem Tempel ein Opfer dargebracht und nicht das Essen aufgetragen.
Bei jedem neuen Gang beschrieb Madame Mauvais das Gericht mit fast religiöser Verehrung.
»Hauptbestandteil dieser Eiercreme sind Knorpelstücke eines Beuteltiers, das unter Felsgestein auf einer Insel im Südpazifik lebt«, sagte sie, als der erste Gang in fingerhutgroßen Schalen serviert wurde. »Ein Kalziumlieferant erster Güte. Von den Fischern wegen seiner wasserabweisenden Eigenschaften geschätzt...Ich hoffe, es sind keine Vegetarier unter uns?«
»Die blassblauen Körnchen sind Pollen einer Blume, die ausschließlich in elftausend Fuß Höhe nach einem sehr langen Winter blüht«, beschrieb sie die Verzierung eines Gebäcks, das wie ein gepuderter Donut aussah, aber kein bisschen süß schmeckte. »Die Einheimischen dort glauben, es schärft den Verstand. Erwiesenermaßen hilft es, die Nebenhöhlen freizubekommen.«
»In Dorsch-Tran sautierte Bärenleber«, verkündete sie, als ihnen ein nicht sehr appetitlich aussehender Klumpen vorgesetzt wurde. »Ein Gericht, das von den Wikingern geschätzt wurde. Es ermöglichte ihnen, lange in der Kälte auszuharren. Der ein oder andere mag den Geschmack ein wenig streng finden.«
Bevor sie zu essen anfingen,
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