Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
natürlich nicht.« Madame Mauvais lachte. »Ich dachte nur . . . nun ja, sie ist verheiratet, nicht wahr? Und welcher Mann würde eine Frau mit solchen Ohren heiraten?«
Kass spürte, wie sie errötete – vor Scham und Wut und abgrundtiefem Hass. Vermutlich waren ihre Ohren noch nie so blutrot gewesen wie in diesem Augenblick.
Madame Mauvais schien nichts davon zu bemerken.
»Sie müssen sich ja nicht sofort entscheiden. Kommen Sie jetzt . . .« Sie packte Kass beim Arm und erstickte damit jeden weiteren Gedanken daran, die Suche nach Benjamin fortzusetzen. »Es ist Zeit fürs Abendessen. Wir haben heute einen Überraschungsgast.«
Kapitel dreiundzwanzig
Ein Überraschungsgast
W er war der Überraschungsgast?
Rate mal.
Ich gebe dir einen Tipp: Es war nicht Gloria. Was das angeht, muss ich dir den Spaß leider verderben.
Wie wär’s damit: Der Überraschungsgast ist eine der echten Skelton-Schwestern! Denkbar wäre es. Die Skelton-Schwestern waren schon einige Mal da gewesen. Zumindest hatte Dr. L das behauptet.
Die Verwirrung, die sich zweifellos daraus ergäbe, wäre bestimmt sehr unterhaltsam. Ich sehe die Szene förmlich vor mir: Madame Mauvais sagt zu Kass: »Sehen Sie doch nur, Ihre Schwester ist gekommen!« Kass macht den Mund auf, um zu sagen, dass sie überhaupt keine Schwester hat, bevor ihr gerade noch rechtzeitig einfällt, dass sie ja so tun muss, als hätte sie welche. Die echte Skelton-Schwester wäre verdutzt und würde fragen, was das Ganze überhaupt soll.
Daraufhin müsste Kass sich schnellstens eine Ausrede einfallen lassen, um nicht überführt zu werden. Sie könnte beispielsweise behaupten, dass sie eigentlich nur eine Halbschwester der Skelton-Schwestern ist und bisher vor ihnen versteckt gehalten wurde. Oder sie könnte flunkern, dass ihre Schwester sie normalerweise kennen müsste, bedauerlicherweise jedoch an Gedächtnisschwund leidet.
Vielleicht würde Kass damit sogar durchkommen und die Skelton-Schwester davon überzeugen, dass sie Geschwister sind. Das wäre ein Ding, was?
Trotzdem, Madame Mauvais’ Überraschungsgast war keine Skelton-Schwester. So groß ist die Überraschung nämlich auch wieder nicht – zumindest für denjenigen, der die Geschichte bisher aufmerksam verfolgt hat.
Es ist allenfalls eine klitzekleine Überraschung, dafür jedoch eine riesengroße Erleichterung. Hoffe ich wenigstens.
Für das Abendessen hatte man ein aufwendig gestaltetes Zelt errichtet, das die Form eines kleinen Schlosses hatte. Darin gab es insgesamt drei Räume, und erst als Kass Madame Mauvais in den dritten Raum hinein gefolgt war, erblickte sie den stoppelhaarigen Jungen, der auf einem Kissen in der Ecke saß.
Ja, du vermutest richtig, der Überraschungsgast war niemand anderer als Max-Ernest – und diesmal war Kass unendlich dankbar, ihn zu sehen.
Ihre Wut auf ihn war längst verflogen und sie merkte jetzt, wie einsam und verängstigt sie sich gefühlt hatte, seit sie kein Team mehr waren. Wäre Madame Mauvais nicht in der Nähe gewesen, Kass wäre auf ihn zugerannt und hätte ihn umarmt wie einen lange verschollenen Freund. (Na ja, so wie ich Kass kenne, hätte sie Max-Ernest auf keinen Fall umarmt, aber zumindest hätte sie einen Gedanken daran verschwendet.) So aber wagte sie nicht einmal, Hallo zu sagen. Madame Mauvais sollte nicht merken, dass Kass und Max-Ernest sich kannten.
Auch Max-Ernest war ungewöhnlich schweigsam. Als Kass sich auf das Kissen neben ihm setzte, warf er ihr ein kurzes gequältes Lächeln zu, das immer so wirkt, als würde man mit den Fingern die Mundwinkel rechts und links hochziehen. Er schien nervös zu sein, was Kass nicht verwunderte.
Was hatte er hier zu suchen? Wie war er hergekommen?
Mit einem Mal war Kass ganz schlecht vor Angst.
»Überrascht, Miss Skelton? Oder sollte ich besser sagen Kassandra?«, fragte Madame Mauvais.
»Wer – wer ist diese Kassandra?«, stammelte Kass.
»Ach, stell dich nicht so dumm an. Glaubst du wirklich, du könntest uns hinters Licht führen?«, erwiderte Madame Mauvais amüsiert. »Ich weiß, ich hätte deinen Schwindel gleich auffliegen lassen sollen, als du angerufen hast. Aber ich wollte dich nicht verschrecken. Leider ist unsere erste Begegnung etwas unglücklich verlaufen. Ich möchte das gern wieder wettmachen, einverstanden?«
Kass zwang sich zu einem Nicken. Sie konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten, so schwindlig war ihr.
Madame Mauvais lächelte – falls man bei ihr überhaupt von
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