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Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Titel: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pseudonymous Bosch
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nicht sonderlich für Daten und Jahreszeiten interessierte, wusste, dass man im Sommer in ein Camp ging und nicht mitten im Schuljahr und erst recht nicht zwischen zwei Unterrichtsstunden. Aber die Fremden waren Erwachsene, also musste man auf sie hören, und sie sagten, sie hätten eine Sondererlaubnis von Mrs Johnson, und sie versprachen, ihn am Ende des Schultags wieder zurückzubringen.
    Er überlegte hin und her, was er sagen sollte, und merkte gar nicht, dass die Fremden ihn schon zum rückwärtigen Schultor führten.
    Erst als die Limousine losfuhr, fiel ihm die Ermahnung seiner Mutter ein: Steig nie zu Fremden in ein Auto.
    Ihm wurde klar, dass er einen Fehler gemacht hatte; sehnsüchtig sah er zur Schule zurück, die ihm wie ein sicherer Hafen vorkam. Das Tor stand noch offen und eine Schülerin sah hinter ihm her. Es war Kassandra, das Mädchen mit den großen, spitzigen Ohren, die ihn aus irgendeinem Grund immer an Pfefferminzeiscreme erinnerte – zwar schokoladig, aber in erster Linie pfefferminzig. Ihre Blicke trafen sich kurz und seine innere Stimme schrie laut um Hilfe. Aber so verrückt sein Gehirn auch war, Gedankenübertragung gehörte leider nicht zu seinen Talenten.
    Einer der Fremden drückte ihm ein Taschentuch ins Gesicht und dann wurde alles schwarz.
    Benjamin wachte auf und hatte immer noch den Geschmack von Pfefferminzeiscreme im Mund.
    Er trug eine weiße Tunika und lag auf einem Bett in einem schmalen Zimmer. Es war kahl; nur weiße Wände, Steinfußboden und ein winziges Fenster fast ganz oben an der Decke.
    Das Zimmer war seltsam, irgendwie unbeschreiblich. Woran lag das?
    Es war die Stille, erkannte er nach einer Weile. Noch nie hatte er das völlige Fehlen von Geräuschen erlebt.
    Er kratzte sich am Kopf und stellte fest, dass auch dort alles kahl war. Kahl und glatt wie ein Ei. Er hatte eine Glatze.
    Wo war er?
    Erst jetzt bemerkte er, dass die Goldene Dame neben ihm stand und ihn betrachtete.
    »Träume ich?«, fragte er. Das Sprechen bereitete ihm Mühe.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ist das hier ein Krankenhaus? Was ist passiert?«
    »Du bist in der Läuterungskammer«, sagte sie gedämpft. »Und jetzt sei still und schließ die Augen. Du darfst keiner Stimulation ausgesetzt sein.«
    »Was ist mit dem Künstlercamp?«
    »Später, Benjamin. Später.«
    Als er die Augen wieder aufschlug, war er allein. Er hatte Angst. Entweder er träumte doch nicht oder er träumte und schaffte es nicht aufzuwachen, was fast noch schlimmer war.
    Als die Goldene Dame wiederkam, sprach sie kein Wort.
    Er sagte ihr, er hätte Hunger, und sie gab ihm ein weißes Getränk, das aussah wie Milch, das er aber weder schmecken noch riechen konnte.
    Je mehr Zeit verging, desto störender empfand er das Fehlen von Stimulation. Er fing an, sich Dinge vorzustellen: Geräusche, Farben, Gerüche, Geschmäcker. Diese Wahrnehmungen fanden im hintersten Winkel seines Bewusstseins statt – so wie bei einem Hörtest, wenn die Pieptöne so hoch oder so tief sind, dass das menschliche Ohr sie kaum noch erkennen kann.
    Als dann ein wirkliches Geräusch ertönte, war Benjamin so in seiner Gedankenwelt gefangen, dass er zuerst gar nicht begriff, was es war. Weil er es schließlich als Motorengeräusch eines Autos identifizierte, richtete er sich in seinem Bett auf. Wenn er sich auf sein Kissen stellte, konnte er durch das kleine Fenster spähen. Es war Nacht, draußen war es dunkel, er konnte die Zufahrtsstraße zwischen den Bäumen kaum noch erkennen. Die Limousine fuhr gerade vorbei.
    Ein Mädchen drückte die Nase gegen das Rückfenster des Fahrzeugs – und plötzlich war Benjamins Mund voll mit Pfefferminzeiscreme. Es war Kassandra, das Mädchen, das am Schultor beobachtet hatte, wie man ihn wegbrachte. Jetzt beobachtete er sie. Es war wie ein Film, der noch einmal gedreht wurde. Er überlegte, ob er winken oder rufen sollte, sagte sich dann jedoch, dass er sich alles nur einbildete. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet sie hier war?
    Bestimmt hatte er nur geträumt.

Kapitel siebenundzwanzig
    Ins Innere der Pyramide

    Teil eins

    L.
    L, Dr. L.
    L wie Luciano.
    L wie lange verlorener Bruder.
    L wie lästiger, listiger, lausiger Doktor.
    L wie Lügen, Lügen, Lügen, nichts als Lügen.

    Wie sonnenklar im Rückblick alles war. Und wie schrecklich.
    Kass hatte Max-Ernest zwar nicht eingeweiht, weil sie wusste, dass er dann nur sagen würde, es wäre sinnlos, aber insgeheim hatte sie tatsächlich

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