Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
ein Fenster erwarten, durch das man auf die Pyramide schauen kann? Es sei denn, es ist etwas hinter dem Spiegel...«
Kass drückte gegen den Spiegel – der sofort aufschwang.
Blondes Haar blitzte auf!
Beide schnappten nach Luft. Madame Mauvais!
Nein, bei näherem Hinsehen entpuppte sich der blonde Haarschopf als Perücke, die auf einem Modellkopf thronte.
»Ist wohl das Ersatzhaar«, seufzte Kass.
»Du meinst, sie trägt eine Perücke?« Max-Ernest klang fast ein wenig enttäuscht.
»Na klar, und ihre Nase ist vermutlich auch nicht echt«, sagte Kass triumphierend.
Sie schloss die Tür wieder und versuchte es beim nächsten Spiegel. Dahinter stand eine alte Holzkommode, wie man sie in früheren Jahrhunderten in einem Arztzimmer finden konnte.
Und oben auf der Kommode lag...
»Wusst ich’s doch, sie haben sie gestohlen«, sagte Kass.
. . . die Symphonie der Düfte. Max-Ernest wollte sie sofort an sich nehmen, aber Kass hielt ihn zurück.
»Sie ist zu schwer. Wir nehmen sie auf dem Rückweg mit.«
»Okay, aber willst du nicht wenigstens mal da reinschauen«, sagte er und deutete auf die Kommode.
Bevor Kass die Spiegeltür wieder zumachen konnte, hatte Max-Ernest schon eine Schublade aufgezogen und angefangen, die Ordner darin durchzusehen.
»Sieh mal, die Bergamo-Brüder.«
Er nahm einen Ordner heraus und schlug ihn auf. Alte, verblasste Zeitungsausschnitte fielen heraus, auf denen Pietro und Luciano als Zirkuskinder zu sehen waren.
Rasch durchforsteten Kass und Max-Ernest auch noch die anderen Ordner in der Schublade. Es waren etwa ein Dutzend und jeder Ordner enthielt Unterlagen zu einem Kind. Alle waren auf irgendeine Weise Wunderkinder: Musiker, Künstler, Dichter, Mathematiker, ein paar von ihnen waren schon vor hundertfünfzig Jahren geboren worden. Ein Ordner enthielt die Fotografie eines wunderhübschen chinesischen Mädchens, das Geige spielte. Kass und Max-Ernest betrachteten es traurig und dachten an das Mädchen, das in Pietros Notizbuch beschrieben wurde.
Zu den Fotos und Zeitungsausschnitten gab es ausführliche Tabellen, die den Gesundheitszustand der Kinder dokumentierten. Fast in allen Unterlagen stand am Ende das Wort verstorben und daneben ein Datum.
»Meinst du, sie hat sie alle getötet?«, fragte Max-Ernest. »Dann wundert es mich, dass sie Luciano am Leben gelassen hat.«
»Keine Ahnung, vielleicht mochte sie ihn zu sehr. Und später war er schon zu alt oder so. Vielleicht brauchte sie einen Komplizen... Komm, wir müssen weiter.« Kass schloss die Schublade. »Wer weiß, was sie gerade mit Benjamin anstellen!«
Der nächste Spiegel war tatsächlich eine Tür.
Kass und Max-Ernest fanden sich in einer kleinen, tresorartigen Bibliothek wieder, vollgestopft mit Büchern, die alle, das sah man auf den ersten Blick, sehr selten und sehr wertvoll waren. Einige waren vergoldet und mit Edelsteinen geschmückt, andere hatten Messingbeschläge und waren mit Lederriemen verschlossen. Einige sahen so alt aus, als würden sie bei der leichtesten Berührung zu Staub zerfallen. Es war die riesige Schatzkiste von Bücherpiraten.
Während Kass nach weiteren Geheimtüren und versteckten Korridoren suchte, konnte Max-Ernest sich nicht von den Büchern losreißen. Fast gegen seinen Willen fing er an, eins nach dem anderen durchzublättern. Viele waren zwar schmuckvoll eingebunden, der Inhalt hielt jedoch nur Schrecken bereit. Schon ein flüchtiger Blick zeigte Radierungen mit albtraumhaften Kreaturen: zweiköpfige Männer und dreiköpfige Drachen, Frauen mit Fledermausflügeln und neugeborene Ungeheuer in verschlossenen Gläsern. Es gab Bilder von Feuer speienden Planeten und stürmischen Ozeanen, auch alte Landkarten von Orten, die man besser niemals aufsuchte. Anweisungen für Experimente, die man besser nie ausprobierte. Merkhilfen für Geheimcodes, die man besser sofort vergaß.
»Hey, Kass«, flüsterte Max-Ernest über die Schulter hinweg. »Hast du schon mal was von Alchimie gehört?«
»Klar, das ist Zaubern und so Zeug«, kam es von der anderen Seite des Zimmers.
»Ja, aber es gibt auch echte Alchimisten. Zumindest gab es Leute, die es ernsthaft versucht haben. Hör dir das mal an . . .«, sagte Max-Ernest und dann las er vor. »Alchimie geht davon aus, dass alles Leben aus einer einzigen Substanz entsteht. Gemeinhin wird dieser Stoff als Stein der Weisen bezeichnet – obwohl es nicht so sehr ein Stein als vielmehr eine Geheimformel ist. Zu allen Zeiten waren Alchimisten auf der
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