Der Narr und der Tod
Gesicht.
„Sobald ich bei Martin war.“ Danach schwieg ich, bis wir in der Klinik waren.
„Ich möchte, dass Sie wissen, Ma’am ... der Beamte, der am Abend die Granberrys befragte ... nun, er wird eine offizielle Verwarnung erhalten.“
Ich zuckte die Achseln. Es spielte keine Rolle mehr.
Irgendwann saß ich in einem Rollstuhl, und man schob mich einen Gang hinunter, den man erst vor kurzem in glänzendem Beige gestrichen hatte. Es roch nach Krankenhaus, nach dieser unverwechselbaren Mischung aus Desinfektionsmitteln, Medizin und dem faden Geruch des Krankenhausessens.
Die Schwester, die meinen Rollstuhl schob, beantwortete keine Fragen, gab keinen Kommentar ab. Wir fuhren durch eine Tür, auf der „Intensivstation“ stand. Hier war Platz für sechs Patienten, aber Martin und Karl waren die einzigen.
Cindy war bei Martin in einem Zimmer mit Glaswänden, verließ dieses aber sofort, als sie mich kommen sah. Sie schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders. Ihre Augen waren gerötet.
Die Schwester rollte mich direkt neben Martins Bett. Ich war entsetzt. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren, und alles an ihm, was man irgendwie an Geräte anschließen konnte, war angeschlossen worden. Er wirkte um zwanzig Jahre gealtert.
„Er hat nicht viel gesagt“, meinte der junge Mann, der sich weiter hinten im Zimmer im Schatten herumtrieb. Barrett.
Da wusste ich, dass Martin sterben würde.
„Liebling“, sagte ich und versuchte, meine Stimme nicht zittern zu lassen. „Jetzt bin ich da.“
Zuckend hoben sich seine Lider, seine Augen erfassten den Bluterguss. „Du bist verletzt“, sagte er schwach. „Deswegen bist du nicht gekommen.“
„Ja.“
„Ich wusste es.“
„Hast du mich vermisst?“, sagte ich und versuchte zu lächeln. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Oh, ja“, hauchte Martin; er schaffte es fast zu lächeln.
„Ich dich auch.“ Fast wäre ich an den Worten erstickt. Meine Augen füllten sich mit Tränen, liefen über. Ich küsste ihn auf die Wange, sehnte mich von ganzem Herzen danach, mit ihm allein zu sein. Aber ich konnte seinem Sohn unmöglich befehlen zu gehen.
Deswegen war Barrett dabei, als Martin fünf Minuten später geräuschvoll einatmete. Barrett war bei mir, als alle Alarmsignale lospiepten, Barrett war da, als die Ärzte uns auf den Flur scheuchten, um an meinem Mann arbeiten zu können, und Barrett war dabei, als wenige Minuten später der alte Doktor auf den Flur kam, um mir mitzuteilen, dass mein Mann tot war.
In der gleichen Woche, in der Regina Witwe wurde, wurde auch ich es – es war die gleiche Woche, in der Luke Granberry Witwer wurde.
Regina hatte beide Männer verloren, an denen ihr etwas gelegen hatte – ob von Liebe die Rede sein konnte, wagte ich zu bezweifeln. Ihre Mutter war zurückgekehrt und versprach, beim Aufziehen des Babys zu helfen, von dem Barby behauptete, es sehe voll und ganz wie ein waschechter Bartell aus. Ich hielt Hayden nie wieder in den Armen. Irgendwie wollte ich das auch nicht.
Regina stand wegen des Ablebens Margaret Granberrys nur pro forma vor Gericht, da Luke selbst aussagte, seine Frau und er hätten sie und mich gefangen gehalten. Ohne Margaret schien Luke sämtliche Entschlusskraft verloren zu haben, fast sah es so aus, als interessiere ihn sein Leben nicht mehr. Aber er erholte sich von seiner Schusswunde und musste sich vor Gericht wegen Entführung in drei Fällen (Regina, Hayden und ich), Mord in zwei Fällen (Craig und Rory) und tätlichen Angriffs mit einer Schusswaffe (Karl) verantworten. Da Luke sich schuldig bekannte, musste ich nicht nach Corinth zurück, um beim Gerichtsverfahren auszusagen.
Ich wollte Corinth nie wieder betreten.
Zwei Wochen nach Craigs Bestattung zeigte dessen älterer Bruder Dylan Regina bei den Behörden wegen Vernachlässigung ihrer Mutterpflichten an. Als Beweis nannte er ihren Versuch, das Baby an die Granberrys zu verkaufen. Dylan und seine Frau Shondra wollten Hayden zusammen mit ihrer kleinen Tochter großziehen.
Aber Barby und Regina traten als geschlossene Bartell-Front vor den Richter, was den armen Mann überforderte. Er befand, das Kind solle bei seiner Mutter bleiben, ordnete für Regina aber den Besuch einer Elternschule an.
Dort lernte sie gleich beim ersten Treffen einen dreißigjährigen, geschiedenen Mann kennen, dem das Gericht den Kurs verordnet hatte, weil man ihn im Supermarkt beim Schlagen seines Kindes beobachtet hatte. Dann kam mir zu
Weitere Kostenlose Bücher