Der Narr
der Weisen.«
»Schön und gut! Aber was ist, wenn ich auf all das scheiß?«, fragte Sam. »Ich mein, ich bin auch so zufrieden, solange ich daheim auf der Couch sitzen kann. Ich brauch kein vergoldetes Ego.«
»Wenn Menschen ihr Ziel, ihren Weg zu ihrer persönlichen Vervollkommnung, aus den Augen verlieren, werden sie zu Irrenden. Dann mischt sich dein Unterbewusstsein ein. Es führt dich in brenzlige Situationen. Dir wird vor Augen geführt, wie du dich von deinen eigentlichen Zielen im Leben entfernst. Und je mehr Hinweise du ignorierst, desto lauter wird das Unterbewusstsein auf sich aufmerksam machen. Du hast die Wahl: Entweder du rennst weiter gegen immer größer werdende Hindernisse an oder du stellst dich deiner selbst.«
Sam dachte kurz nach. Allmählich kam er zu seiner ersten ernstgemeinten Frage.
*
Joe lag gemütlich im weißen Hotelbademantel am Sofa und drückte einmal mehr auf die Fernbedienung. Wer war bloß auf die schwachsinnige Idee gekommen, den Sportkanal ganz nach hinten zu reihen? Glücklicherweise ließen sich die Sender neu anordnen.
Seit zwei Tagen hatte er das Zimmer schon nicht mehr verlassen. Am Tisch lag eine leere Pizzaschachtel vom Mittag. Das Abendessen würde wie am Vortag vom Chinesen gebracht werden. Ein Leben, wie er sich immer vorgestellt hatte: Essen, Bier trinken und in die Glotze starren; keine Verpflichtungen und niemand ging ihm am Arsch. Er würde dieses Leben so lange genießen, wie es möglich war. Im Hotelzimmer zu bleiben, hatte jedoch auch einen praktischen Grund. Die Polizei suchte bereits nach ihm. Ihnen war klar, wer bei der Pyramide geschossen hatte.
Vor ihm auf dem Tisch lag eine Zeitung. ›Selbstmord in Oberösterreich. Inspektor Schremser im Interview.‹ – »Es war nicht die erste Prostituierte, mit der ich während meiner langen Karriere zu tun gehabt habe. So etwas passiert.« Zwei Tage lang hatte die Leiche in der Wohnung gebaumelt. Der Reporter fragte den Polizisten auch, ob es Mord gewesen sein könnte. »Ausgeschlossen. Frauen, die ihren Körper verkaufen, sind oft gezeichnet. Blaue Flecken und Blutergüsse gehören zum Tagesgeschäft. Manche Freier sind leider sehr brutal. Das war Selbstmord.«
»Wieder mal typisch«, dachte Joe. »Bei einer gut situierten Frau hätten die Polizisten Nachforschungen eingeleitet.« Obwohl der Umstand, dass Nellie ›eine von denen da unten war‹, seine Rettung bedeutete, ärgerte Joe sich darüber, seine Theorie immer wieder bestätigt zu sehen. Er würde nie vergessen, dass auch er einst ein Schuhabtreter der Gesellschaft gewesen war.
Doch dass er nun endgültig zum Killer geworden war, machte ihn offenbar sexy. Seine Neue liebte ihn für seine Tat und nannte ihn sogar ›Wolf‹. Zwischen ihm und seiner neuen Braut gab es keine Geheimnisse. Sie begehrte gefährliche Männer. Hätte er sie doch bloß schon früher kennengelernt, dann wäre sein Leben ganz anders verlaufen. »Joe«, hatte sie zu ihm gesagt, »die Heisensteins dieser Welt haben immer ein As im Ärmel.«
Anfangs hatte er keine Ahnung, was sie damit meinen könnte. Doch das As war schnell im Handschuhfach des Firmenwagens der Bank gefunden:
Mein Leben ist beschissen. Wenigstens mein Tod soll einen Sinn machen. Ich will für jemanden etwas tun, der mir geholfen hat. Ich werde die Dreckschweine umbringen, die Heisensteins Tochter auf dem Gewissen haben. Diese Menschen haben nichts anderes verdient.
Dr. Heisenstein weiß nichts von meinen Plänen. Hätte ich ihm etwas davon gesagt, hätte er mich womöglich davon abgehalten. Jeder soll wissen, dass Heisenstein unbeteiligt ist.
Joe hasste Unaufrichtigkeit. Er hätte Lust gehabt, sich für diese Frechheit bei Heisenstein gebührend zu ›bedanken‹. Doch sie zeigte ihm, wie man dieses Spiel richtig spielte und Gleiches mit Gleichem vergalt. Ein kleiner handschriftlicher Nachtrag änderte das Spiel zu seinen Gunsten:
P.S. Dr. Heisenstein hat mir vor drei Wochen versprochen, sich meiner Tochter anzunehmen, falls mir etwas passieren sollte. Er gab mir sein Ehrenwort als Bankier. Jemand wie er steht zu seinem Wort.
»Heisenstein kann den Brief nicht als Fälschung bezeichnen, da die Existenz dieses Briefs seine Freikarte ist. Die Presse wird von einem Top-Bankier genau wissen wollen, wie er sich an die Abmachung halten will und keine Ruhe geben, falls er versucht, sich da raus zu winden. Angelika wird es gut haben«, versicherte sie ihm.
Es ging also weiter auf der Siegerstraße! Und alles
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