Der Narr
funkelten. Sam rechnete damit, dass der Russe sehr zornig werden konnte.
»Was haben sie verbockt?«, fragte der Student vorsichtig.
Minsk musste Luft holen, bevor er weitersprechen konnte: »Die Ausbreitung von Magick!«
»Ich verstehe nicht.«
»Hast du dir die typischen Vertreter der neuen Religionen schon einmal angesehen? Diese Menschen sollen würdige Vertreter einer neuen Weltordnung sein? Wegbereiter für Suchende, vom Bankmanager bis zur Putzfrau, vom Lehrling bis zum Universitätsprofessor? Alles, was diese Versager mit Geltungsdrang mit ihrem schwachsinnigen Gelaber erreichen, ist, vom Weltgeist noch mehr verachtet zu werden. Es wird Jahrzehnte brauchen, bis der Schaden beseitigt ist.«
»Was machst du dagegen?«, fragte Sam vorsichtig. Mittlerweile wirkte Minsk auf ihn regelrecht bedrohlich.
»Ich kläre auf und lehre Magick. Mein Schaffen trägt nun allmählich Früchte. Viele meiner ehemaligen Schüler und Mitstudenten leben Magick, sie sind erfolgreich und werden bewundert. Sobald die Masse erkennt, welchen Erfolg meine Leute haben, weil sie mit dem Geist der Zeit leben, wird sich unsere neue Denkform wie ein Lauffeuer verbreiten.«
Kurz herrschte Stille. Minsks Augen funkelten immer noch.
»Was ist Magick?«, fragte Sam schließlich, um die Stille zu beenden.
»Magick ist das Wissen, eine unsichtbare Kraft und die Energien um uns herum, die alles durchdringen, zu nutzen. Diese Kraft wird bei den Chinesen Chi genannt, altnordische Traditionen nennen sie Od. Sie kommt überall vor. Besonders in der Natur wird die Energie stark. Du beginnst damit, diese Energien zu spüren und zu versuchen, einzelne Energieformen zu unterscheiden.«
»Nutze die Macht, Sam!«, gab der Student in tiefen Worten zu verstehen. Der Russe sah ihn fragend an. Offenbar hatte Minsk nie in seinem Leben ›Star Wars‹ gesehen.
»Manche drücken Magie über die Götter aus«, fuhr der Russe fort. »Die Mars-Energie ist die Energie des Kriegsgottes. Im Kontrast dazu steht die Aphrodite-Energie, die Kraft der Göttin der Liebe. Doch Liebe und Krieg schließen einander nicht aus. Das lehrt uns beispielsweise die nordische Mythologie mit der Göttin Freyja«, erklärte der Professor weiter.
»Welchen Sinn würde es aus magischer Sicht geben, jemanden umzubringen?«, unterbrach Sam den Russen.
»Denk besser drüber nach, wie du die Energien positiv für dich nutzen könntest!«, gab Minsk zurück.
»Wie wäre es damit, in die Vergangenheit zu reisen. Dann müsste man nur mehr die Mutter des Mörders terminieren, um zu verhindern, dass sie ihn zeugt«, scherzte Sam weiter.
Der Russe seufzte.
»Leonid, kannst du mir Magick anhand eines einfachen Beispiels endlich erklären?«, hakte Sam nach, der langsam genug von diesem abstrakten Gefasel hatte.
»Du beschließt, in ein fernes Land auf Urlaub zu fahren. Je konkreter du dein Ziel benennen kannst, je genauer deine Vorstellung ist, desto besser. Wenn du dein Ziel sehen, riechen, schmecken, hören oder ertasten kannst, kannst du beginnen, magisch zu arbeiten. Emotionen sind die natürlichste Energieform. Du nimmst Feuer für einen abenteuerreichen Urlaub. Mit deinen Freunden trommelst du am Feuer. Ihr spürt das Feuer. Ihr tanzt um das Feuer. Ihr lasst euch gehen. Ihr raunt Mantras, Zauberformeln, die für das Ziel geschaffen wurden. Je ekstatischer dein Tanz ist, umso klarer wird dein Ziel vor deinen Augen. Immer tiefer und tiefer lässt du dich in diesen Rausch fallen. Du spürst regelrecht, wie sich die Vorstellung von deinem Urlaub mit Energie anfüllt.«
Sam erinnerte sich an seine früheren Vorbereitungen auf den Sommerurlaub: Einen Porno downloaden und schon war die Vorfreude auf die Hasen beim Urlaub am Meer groß. Zu visualisieren, was am Strand in der Nacht passieren könnte, war nie das Problem. Eher scheiterte es daran, die Vision umzusetzen.
Minsk fuhr fort: »Das war aber nur das Vorspiel. Die zweite und höhere Form der Magie ist es, das eigene Selbst zu verändern. Das Streben nach eigener Exzellenz, nach dem Göttlichen.«
»Ähm … was? Das eigene Ich ist doch eine Konstante.«
»Jeder Stoff strebt nach Vollkommenheit, das kann dir jeder Chemiker bestätigen. In der Alchemie hoffte man deswegen auf die Umwandlung von niederen Stoffen in Gold. Wie oben, so unten. Doch was bei den Elementen gilt, gilt auch beim Menschen. Du bist deines eigenen Glückes Schmied. Meistere das Handwerk, dich selbst zu formen und du wandelst dein Inneres zu Gold: Der Stein
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