Der Narr
befunden hat. In ihrer Brust steckt ein Pfeil.«
»Ach? Ich soll Sie also für einen Mord bezahlen, den Sie bereits aus freien Stücken erledigt haben?«
»Betrachten Sie es als eine kleine Demonstration meiner Bereitschaft! Der Mörder Ihrer Tochter lebt noch.«
Der Anrufer legte auf. Wieder eine Pattstellung. Und wieder gab es nichts, was er noch tun könnte, um vorwärts zu kommen.
Risikobewertung! Was, wenn all das eine Falle war? Noch hatte er nichts gesagt, wofür er belangt werden könnte.
Es setzte Heisenstein zu, keinen Schritt weiter zu kommen. Unzählige Verhandlungsmarathons hatte er im Laufe seiner Karriere überstanden, doch nichts malträtierte ihn so sehr wie Stagnation. Er konnte nicht einmal in die Bank gehen. Man würde ihn beim Betreten seines Büros sofort für den Rest des Tages in Beschlag nehmen. Er konnte seine Sitzungen nicht einfach verlassen, um in aller Ruhe mit einem potentiellen Auftragsmörder offene Details zu klären.
Heisenstein schlug die Zeitung auf. Ein weiterer Mord in Oberösterreich. Der Whiskey fiel ihm aus der Hand, das Glas zerschellte klirrend auf dem Fliesenboden. Es war schon etliche Jahre her gewesen. Und auch wenn sie auf dem Foto anders aussah, als er sie in Erinnerung hatte, er erkannte sie wieder. Und die Erinnerung an diese Frau war am Ende nicht die Beste gewesen.
*
»Was hältst du davon, Leonid?«
Der Russe starrte Sam nichtssagend an. Sam merkte, dass er seine Ausführungen einmal mehr hätte kürzer halten und nicht so sehr ins Detail hätte abschweifen müssen.
»Du musst noch viel über dich lernen!«, murmelte der Russe gähnend.
»Was ich endlich brauche, sind Beweise meiner Unschuld und keine Erkenntnisse über meine Seele«, gab Sam seufzend zurück. Allmählich reichten ihm die Aufforderungen zur Selbstfindung.
»Verstündest du dein Leben, würdest du auch ein Muster erkennen«, antwortete Minsk gelassen.
»Bitte keine Eso-Sprüche! Dein Unterbewusstsein leitet dich … es führt dich dorthin, wo du hin musst … Falls mein Unterbewusstsein wirklich die Schuld an meiner Misere haben sollte, gehört es entmündigt. Ich will daheim in Ruhe Pizza fressen, Cola trinken und die Nacht durch zocken können. So will ich mein Leben haben, egal was auch immer mein Unterbewusstsein dazu sagen möge«, gab Sam aufgebracht zurück.
»Irgendwann wirst auch du Rechenschaft über dein Leben ablegen müssen. Du möchtest doch stolz auf dein Lebenswerk sein. Bist du dir sicher, dass du dann davon sprechen willst, wie viel Sergeis du abgeschossen hast?«
»Zerg! Die Viecher heißen Zerg!«, korrigierte Sam.
Der Russe wurde zornig. »Du hast so viele Freiheiten wie keine Generation vor dir! Und dennoch weißt du nichts damit anzufangen!«
»Niemand sagt, dass ein Leben durch mehrere Wahlmöglichkeiten einfacher wird«, konterte Sam scharf.
»Was deiner Generation fehlt, ist die Bereitschaft, sich mit einem System zu beschäftigen, das euch Grünschnäbeln lehrt, eure Eigenständigkeit zu entwickeln! Etwas, das euch anleitet, euren Willen und eure Persönlichkeit zu entwickeln«, fuhr Minsk unbeirrt fort.
»So etwas gibt es auch nicht in dieser Welt.«
»Doch, Magick!«
Sam gab dem Russen fünf Minuten, ihm zu erklären, was er damit meinte: »Magick ist die Kunst und Wissenschaft, mit dem Willen Veränderung zu erwirken. Dieser Denkansatz geht weit darüber hinaus, nur irgendwelchen Zauber zu wirken. Deus est Homo! Der Mensch ist seines eigenes Glückes Schmied.«
»Dafür reicht es, Atheist zu sein.«
»Atheismus ist lediglich ein Bekenntnis dazu, an keine Götter zu glauben. Aber Magick ist ein System der Selbstverwirklichung. Der Magier Aleister Crowley sprach vom ›True Will‹, dem wahren Willen. Die Okkultisten sprechen vom Anbruch eines neuen Äons, der mit einem Wertewandel einhergeht. Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung ersetzen dabei Unterordnung, Pflichterfüllung und absoluten Gehorsam.«
»Der Glaube an die Individualität soll die alten Religionen ersetzen?«, fragte Sam nach.
»Schau dich in der Welt um!«, antwortete der Professor. »Die Religionen verlieren in der westlichen Welt zunehmend an Einfluss und ihre Vertreter können nichts dagegen tun.«
»Wieso sind dann noch nicht alle Menschen Anhänger des neuen Glaubens?«, wollte Sam wissen.
»Die Neuheiden und Esoteriker haben es verbockt«, zischte er plötzlich und lehrte darauf schnell ein Glas Wodka. Seine Gesichtszüge waren angespannt und seine Augen
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