Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
Vom Netzwerk:
drehte sie die restlichen Karten um. Sie schien auf einmal regelrecht euphorisch zu sein – als hätte man einem Zombie eine Überdosis Adrenalin gespritzt.
    »Der Narr beim ›Selbst‹! Der Einfluss der Götter! Sam, du steht vor einem kompletten Neuanfang, nur wenigen Menschen bietet sich so eine Chance. Durch seine Fähigkeit, alles komisch zu sehen, ist der Narr wandelbar, und diese Fähigkeit macht ihn mächtig. Ist dir schon aufgefallen, wie leicht es ist, Dinge an dir zu ändern, über die du lachen kannst?«
    »Hör mir bloß mit Göttern auf! Ich bin schon mit einem nicht zurecht gekommen, wozu brauche ich dann mehrere?«
    »Die alten Götter sind facettenreicher als der eine Gott. Gerade der Trickster müsste dir doch sympathisch sein. Es gibt ihn in jeder Religion: Jemand, der die Ordnung durcheinanderwirbelt. Loki, Hermes, Prometheus und vielleicht auch Dionysos. Selbst die Christen haben ihren Lichtbringer. Diese Gottheiten treten dir in den Arsch, wenn du dich gegen dein persönliches Wachstum wehrst. Ohne den Trickster würden wir heute noch auf den Bäumen leben.«
    Fortschrittsgötter! Sollte er seine Theorie darüber, wer wen wirklich in den Arsch trat, tatsächlich in den Raum werfen? Ein Blick in die Westernbar reichte aus, um zu beweisen, dass die Menschen diese Fortschrittsgötter verarschten und nicht umgekehrt.
    »Ich brauche keinen Gott, der mich verändern will. Ich bin zufrieden wie ich bin: Einfach gestrickt, aber meist gut drauf.«
    »Es wäre ratsam, in deinem Leben nach etwas Größerem zu streben. Es würde zwar so manches Opfer verlangen, aber längerfristig gesehen wirst du mit deiner Umwelt eins werden.«
    „Tja, aber mir taugt’s unheimlich, wenn es andern rein scheißt. Wenn sie total Mist bauen und dann diesen verzweifelten Blick aufsetzen, das genieße ich. Ich könnte mir Stunden lang auf Facebook Videos ansehen, in denen irgendwelche Idioten Scheiße bauen und sich damit fast einen Darwin-Award verdient hätten. ›Scheinheiliges Mitleid‹ oder wie du diese Empfindung der Genugtuung dann auch nennen magst, ist doch ein absolut geniales Gefühl. Andere anzusehen und dabei zu spüren bekommen, dass sie sich noch tiefer in die Scheiße geritten haben, als man selbst. Man ist nicht der einzige Trottel auf der Welt und egal, welche Dummheiten man auch gemacht hat, es gibt immer noch viel größere Deppen. Mich baut das auf. Ich könnte glatt Mitglied einer karitativen Vereinigung werden.«
    »Du machst dir das Leben sehr einfach.«
    »Was gibt es denn Schöneres, als frei in den Tag hineinzuleben? Solange in meiner Welt kreative Menschen Trottel, alte Menschen peinlich und die heutigen Kinder verzogen, verfressen und eine Schande sind, muss ich nicht allzu viele Gedanken an mein Leben verschwenden, an die großen Ungerechtigkeiten dieser Welt und all den Scheiß … Ich kann beruhigt auf andere Menschen schimpfen und ihnen die Schuld für all das Übel in der Welt geben. Aber ich bin aus dem Schneider. Denn was mache ich schon, außer am Abend mit Freunden zu zocken und Bier zu trinken? Ich trage nicht die Schuld an globalen Krisen.«
    »Ich finde diese Einstellung erbärmlich. Wenn alle wie du wären, stünde es schlimm um die Welt.«
    »Mach die Augen auf! Schau dir die Boulevardzeitungen an! Was siehst du auf Seite 5 der Krone? Eine gendergerechte Präsentation der Frau der Woche samt ihren Errungenschaften für eine bessere Welt? Menschen wollen es einfach haben: Das billigste Fleisch fressen, sich aber tierlieb nennen. Sich primitiv besaufen, sich aber rühmen dürfen, kultiviert zu sein. Auf fünf Minuten Bewegung kommen Stunden vor der Glotze mit Schokolade und Chips. Obwohl sie oft einen gewaltigen Ranzen vor sich herschieben, bezeichnen sie sich als ›eigentlich eh‹ sportlich. In jedem Fall als attraktiv genug, um das Recht zu haben, sich zu paaren. The New Western Way Of Life: Wir wollen alles haben, sind aber nicht bereit, etwas dafür zu tun. Ich bin anders. Auch ich bin ein Hedonist, versuche aber nichts zu beschönigen. Ich bin mir hundertprozentig im Klaren darüber, dass mein Handeln nicht edel ist. Ich hätte auch keine Lust dazu, Pornos, Bier und Games schönzureden. Manche mögen mich nicht, weil ich zu meinen Macken stehe. Na und? Die wirklichen Arschlöscher sind doch die mit ihrem ›Man muss tolerant sein‹-Getue. Aber im Grunde handeln sie genauso wie ich.«
    Nimue sah Sam an, als würde in ihr eine Welt zusammenbrechen. Wieder einmal richtete sie

Weitere Kostenlose Bücher