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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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draufgehen. Und vielleicht würde er sterben, ohne seine Tochter davor noch einmal gesehen zu haben.

    *

    Der Rettungswagen raste heran und legte eine Vollbremsung hin. Ein blonder Sanitäter um die vierzig, Vollbart und schütteres Haar, stieg mit hochrotem Kopf aus. Er zündete sich eine Zigarette an und stapfte mit finsterem Blick auf Wimmer zu.
    »Was soll das? Die Patientin muss ins Krankenhaus. Sie steht vermutlich unter Schock und in Linz wartet bereits ein Arzt auf sie. Wissen Sie denn, was es kostet, wenn wir sie hier spazieren fahren?«
    Remmel überließ es dem stotternden Wimmer, mit dem aufgebrachten Sanitäter zu diskutieren und ließ sich zu der Zeugin führen.
    Eine junge Frau, den Personalien zufolge 20 Jahre alt und eine frühere Schulkollegin des Opfers, stieg aus dem Rettungswagen. Ihr kurzgeschnittenes dunkelblondes Haar war zerzaust und ihr Gesicht bleich. Anders als die meisten Frauen auf dem Fest, trug sie keinen langen Rock, sondern eine schlichte Leinenhose und ein einfaches graues Hemd. Sie schnorrte von dem Zivildiener, der sie begleitete, eine Zigarette und sah Remmel mit verheulten Augen an.
    »Nur nicht den Beschützerinstinkt aufkommen lassen«, dachte sich Remmel. »Sie ist eine Zeugin. Fakten zählen, sonst nichts. Sie selbst würde am wenigsten davon profitieren, wenn du wieder einmal Mitleid bekommst.«
    »Frau Loidl, ich bin Kommissar Remmel aus Wien. Ich muss Ihnen leider noch ein paar Fragen stellen.« Der Chefinspektor atmete tief durch. Er war wieder einmal drauf und dran, in seine Lämmchenstimme zu verfallen. Wie oft hatten ihn die Kollegen im Dezernat schon deswegen aufgezogen. Er wurde sprichwörtlich zur Semmel, wenn er mit jungen Frauen sprach.
    »Ich habe doch schon alles einem Polizisten gesagt.«
    »Der Kollege ist gegen einen Baum gerannt und hat alles vergessen.«
    Er spürte, wie Hanni ihm einen leichten Rippenstoß mit dem Ellbogen verpasste, der von seinem Körperfett abgefangen wurde.
    »Der Chefinspektor möchte sich lieber selbst ein Bild machen«, sagte Hanni freundlich. »Es tut mir also leid, falls Sie ein paar Fragen zwei Mal beantworten müssen.«
    »Das macht doch nichts«, antwortete die junge Frau. »Ich will ja, dass Sie das Schwein finden!«
    »Wann haben Sie das Opfer das letzte Mal lebend gesehen?«, fragte Remmel und er schaffte es tatsächlich, seine Stimme tief zu halten.
    »Wie ich Ihrem Kollegen schon gesagt habe, ich bin schon früh ins Zelt. Alice hätte bei mir im Zelt übernachten sollen. Am Morgen, als ich aufwachte und sie nicht da war, wusste ich schon: Da muss etwas passiert sein!«
    »Verzeihen Sie, wenn ich jetzt …« Remmel stockte. Wie immer fiel es ihm schwer, diese Fragen zu stellen, die für Hanni das Natürlichste der Welt waren. Er hasste sich selbst dafür, nicht offen darüber sprechen zu können, ohne rot zu werden. Er holte tief Luft und suchte nach Worten.
    Glücklicherweise kam Hanni ihm zuvor: »Wäre es nicht möglich gewesen, dass sie die Nacht im Zelt eines Mannes verbracht hatte?«
    »Ausgeschlossen! Sie kannten sie nicht!«, antwortete sie vehement und betonte dann noch einmal: »Nein, das ist unmöglich!« Die junge Dame hielt inne. Sie schien kurz nachzudenken. Remmel ließ ihr Zeit. Zögerlich setzte sie fort: »Sie war sehr wählerisch. Sie hätte eher ein ewiges Keuschheitsgelübde abgelegt, als mit irgendeinem Mann im Zelt zu verschwinden.«
    »Einige Zeugen haben aber ausgesagt, dass sie mit einem Gast namens Phil Aristos geflirtet hat.«
    »Wenn zwei Menschen ein wenig flirten, heißt das noch lange nicht, dass sie deswegen gleich miteinander ins Bett steigen. Selbst der schöne Phil hätte sich an ihr die Zähne ausgebissen.«
    »Da hätten wir doch ein Tatmotiv«, flüsterte Wimmer Remmel ins Ohr, der den Rettungsfahrer mittlerweile abgewimmelt hatte. »Irgend so ein Bürscherl im Hormonrausch! Eingeraucht mit Haschisch wird er wild und … Bam!«
    Remmel ignorierte seinen Kollegen – ihm war die Kraft ausgegangen, auf jede dumme Bemerkung eine zynische Antwort zu geben.
    »Wenn ich doch nur ein wenig mehr aufgepasst hätte! Ich hätte nicht ohne sie ins Zelt gehen dürfen.« Die Stimme der jungen Frau brach und sie schluchzte auf.
    »Machen Sie sich keine schlimmen Gedanken! Sie können doch nichts dafür. Alice Heisenstein war eine erwachsene Frau.«
    Remmel sah Wimmers entgeisterten Blick. Offenbar hatte Remmel mit seiner Lämmchenstimme gesprochen, ohne dass es ihm aufgefallen war. Er spürte, wie

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