Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
Vom Netzwerk:
ungeschliffener Rohdiamant, eine bezaubernde Frau mit charmantem, aber schüchternem Lächeln, die scheinbar oft übersehen wurde. Sam erinnerte sich: Bevor es schwarz wurde, hatte er auch sie in der Schenke gesehen.

    *

    Dr. Heisenstein fragte sich, ob Joe schon jemals ein Haus wie das seine von innen gesehen hatte. Sicher kannte er das Gefühl nicht, am Abend bei einem Glas Whiskey auf einer riesigen Veranda zu sitzen und sich zu fragen, was die einfachen Leute in den Wohnungen, auf die er herabblickte, treiben würden. Wie fühlte es sich an, ohne Ziel zu leben und zu akzeptieren, dass man das Meiste einfach nicht verstand? Es gab keinen Tag, an dem Heisenstein nicht überlegt hatte, was er noch machen könnte, um seine Performance zu maximieren. Jede Form der Untätigkeit war für ihn eine reine Verschwendung kostbarer Lebenszeit.
    War es eine gute Idee gewesen, jemanden wie Joe ins ›El Dorado‹ einzuladen? Normalerweise kam Personal nicht weiter als bis zu seiner Türschwelle. Aber was hätte sein Fahrer auch davon, ein paar teure Einrichtungsgegenstände mitzunehmen? Immerhin war er drauf und dran, den Jackpot zu knacken.
    Dr. Heisenstein war trotzdem ein wenig nervös. Er würde nun in eine Welt eintauchen, wie er sie bislang nur aus Filmen kannte. Als Joe dann endlich vor seiner Haustür stand, war der Bankier sogar ein wenig enttäuscht. Mit seiner Lederjacke und seinen Jeans wirkte er nicht viel anders als sonst. Heisenstein hatte sich etwas Spektakuläreres erwartet. Doch was? Dass Joe im Catsuit aufkreuzen würde? Er kam sich von einem Moment auf den anderen dämlich vor und bat seinen ›neuen Freund‹ einzutreten.
    Joe trat mit hängenden Schultern ein. Er hob kaum den Kopf, als er im Vorzimmer stehen blieb. War es der Reichtum, der ihn so einschüchterte? Kam er sich angesichts des Prunks wie ein Versager vor? Heisenstein klopfte ihm auf die Schulter. Wenn der Ex-Knacki für ihn den Mörder seiner Tochter erledigen würde, sollte dem Kerl zumindest ein wenig Luxus vergönnt sein. Heisenstein hielt sich an seine Deals.
    »Möchtest du einen Drink, Joe? Whiskey, Wodka?«
    »Mag keine Zeit verlieren. Machen wir es schnell! Ich möchte sobald wie möglich im Flieger sitzen, damit meine Kleine endlich einmal das Meer sieht.«
    »Hier, der Revolver. Von dieser Waffe weiß niemand etwas. Am besten, du wirfst sie danach in einen Fluss.«
    Heisenstein kam sich erneut dämlich vor. Sein Versuch, ihm Tipps zur Entsorgung einer Waffe zu geben, war, als würde Joe probieren, ihm die Grundlagen der Volkswirtschaft zu erklären.
    »Mit diesem Handy kannst du mich immer erreichen. Einfach nur hier drücken.«
    Andere würden für das Privileg, Dr. Heisenstein immer erreichen zu können, viel Geld bezahlen. Joe wusste das sicher nicht.
    »Die Bilder der Verdächtigen sind am Handy gespeichert. Du musst hier drücken, um sie abzurufen. Siehst du?«
    »Es sind also zwei?«
    »Drei. Ich schicke dir das Foto vom Dritten aufs Handy, sobald ich es habe.«
    »Soll ich alle drei erledigen?«
    Heisenstein seufzte. Niemand würde ihm je vorwerfen können, dass er nicht lange darüber nachgedacht hatte. Aber wenn es um den Mob ging, war eines klar: Mit ihren unüberlegten und dummen Handlungen richteten die einfachen Leute immensen Schaden an. Als jemand, der in einer Bank Karriere gemacht hatte, wusste er, wofür Geld ausgegeben wurde. Die meisten Menschen waren und blieben wandelnde ›Emotionsbomben‹, die jederzeit hochgehen könnten. Viele von ihnen würden es nicht wahrhaben wollen, aber sie waren ersetzbar. Die Welt würde nichts verlieren, wenn der eine oder andere vom Antlitz der Erde in die untere Etage wanderte.
    Das Wohl der Überlegenen musste einfach über dem der Austauschbaren stehen. Gewinner brauchten Raum, ihre Flügel auszustrecken. Nur so war Fortschritt möglich.
    »Es gibt keine andere Möglichkeit. Sobald die drei Verdächtigen im polizeilichen Gewahrsam sind, hast du keinen Zugriff mehr auf sie. Wir müssen Kollateralschäden in Kauf nehmen.«
    Joe blickte stumm auf die Fotos.
    »Falls ich erfahre, dass einer von ihnen von der Liste genommen werden kann, melde ich mich sofort bei dir«, seufzte Heisenstein. Dennoch brauchte es auch für sein Gewissen ein wenig mehr Rechtfertigung, warum alle drei auf der Todesliste waren. Zwei von ihnen wurden vielleicht unter die Erde gebracht, ohne dass sie Alice auch nur ein Haar gekrümmt hatten.
    »Als ich jung war, hat man noch auf Frauen aufgepasst«, zischte

Weitere Kostenlose Bücher