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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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keinen Unterschied mehr. Ihn quälten zu viele Erinnerungen, die so wehtaten, dass er sie gar nicht mehr ins Bewusstsein lassen wollte. Nellie hatte es verdient.
    Am Morgen würde er die Kleine von den Großeltern abholen und sofort zum Flughafen fahren. »Für Angelika!« Er hatte sich ihren Namen nicht umsonst auf seine Brust tätowieren lassen. Joe griff zum Handy und wählte eine Nummer.
    »Ja, Flughafen Wien? Ich möchte einen Flug buchen. Wohin? Haben Sie einen Flug in die Karibik? Nein? Dann egal wohin. Hauptsache Sonne, Strand und Meer. Einfach weit weg.«
    Er überlegte kurz. Wenn alles schnell ginge, könnte er zu Mittag am Flughafen sein. Im Ausland könnte er es dann ruhiger angehen. Er würde für ein paar Tage untertauchen, die Formalitäten erledigen und dann mit dem neuen Leben beginnen.
    »Welcher Flug geht denn zu Mittag raus? Was heißt, schauen Sie doch im Internet nach. Ich will einfach nur in einen Flieger steigen … ja … ja … Also was gibt es jetzt? Machen Sie mich nicht wahnsinnig! Halten Sie mich für einen Idioten? Sagen Sie es ruhig frei heraus, Sie halten mich für einen Idioten. Welchen Flug jetzt? Bangkok? Bangkok ist in Ordnung. Dann buche ich gleich einmal für zwei Personen … Was heißt, ich soll das online machen? Sie reden ja jetzt mit mir! Bezahlung? Bar auf die Kralle! … Was heißt Kreditkarte? Jetzt verarschen Sie mich nicht … ich …«
    Aufgelegt. Am liebsten hätte Joe das Handy aus dem Fenster geworfen, fasste sich aber schnell wieder. Bangkok oder Ballermann in Mallorca wäre für die Kleine ohnehin nicht gut gewesen. Dann eben mit dem Zug nach Italien, das war gemütlicher und auch nur eine kleine Planänderung. Er wurde wieder ganz ruhig. Kein Ausrasten sollte seinem Triumph im Weg stehen. Die Haut bei seiner frischen Tätowierung begann wieder zu jucken, doch Joe grinste nur. Für Angelika war er bereit, zu brennen.

    *

    Nimue starrte Sam fragend an, als sie ihn erblickte. Der glorreiche ›Captain Kirk‹-Moment war gekommen. Endlich hatte er den Mut, all das zu tun, was notwendig war. Er holte tief Luft und schlenderte lässig auf sie zu.
    Nimue war keine ›gmahde Wies’n‹, wie man in Österreich so schön zu sagen pflegte. Sie war anders als all die Frauen, die Sam bislang kennengelernt hatte. Er konnte sie nicht einfach betrunken machen und ihr dann, wenn sie am wenigsten damit rechnete, die Zunge tief in den Hals stecken.
    Im Blitzzungenkrieg war Sam ein Meister. Bei den Discohasen und in der Westernbar hatte er damit eine hohe Ausbeute. Das Opfer war meist nicht zu selbstbewusst und auch ein wenig suchend. Von dieser Sorte gab es sogar einige Exemplare, die nicht mal ›unhübsch‹ waren. Ein paar Cola-Rot, der berühmte ›James T. Kirk‹-Blick und der Rest war reine Übungssache. Dann und wann hatte Sam zwar auch eine Ohrfeige geerntet, doch dann ging es eben weiter zur Nächsten.
    Das Beste am Blitzzungenkrieg war, dass er sich das lästige Reden davor ersparte. Es wäre zwar angebracht, danach etwas zu sagen, doch meist waren die Frauen dann froh, wenn er wieder schwieg. Er hatte in diesem Moment schon erreicht, was es für ihn zu erreichen gab, also konnte er auch sagen, was ihm gerade in den Sinn kam. Meist hatte es etwas mit ›Star Trek‹, ›klingonischen Paarungsritualen‹ und ›betaozoidischen Liebeskünsten‹ zu tun. Dass ihn deswegen manche Frauen als den ›Fehler ihres Lebens‹ titulierten, fand er übertrieben. Ging es nach ihm, war der ›echte Sam‹ kein so übler Kerl. Er war vielleicht ein kleiner Nerd, aber sonst … es gab Hässlichere. Er wusch sich, studierte etwas, womit sich auch tatsächlich Geld verdienen ließ, und er pflegte das richtige Ausmaß an Sozialkontakten. Er war kein Ferrari unter den Männern, aber sicher auch keine Schrottkarre.
    »Willst du reden?«, fragte Sam und atmete tief durch. Es war vielleicht ein großer Schritt für ihn, aber es könnte bedeuten, nur noch einen kleinen Schritt in Richtung Freiheit gehen zu müssen.
    Er versuchte den berühmten ›James T. Kirk‹-Blick, mit dem er in jeder Dorfdisko brillieren würde. An Nimues Augen konnte er jedoch ablesen: Er riskierte einen Schlag in die Magengrube, würde er versuchen, mit einem ›Star Trek‹-Spruch zu landen.
    »Lass mich in Ruhe!«, fauchte sie ihn an.
    Die vorhergehenden Diskussionen am Lagerfeuer hatten seine Fantasie beflügelt. Wie recht Ceallach doch hatte. Man musste seine Wurzeln kennen! Danach wäre alles möglich. Sam kam

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