Der Narr
und Scheidung hatte man der ›Deppaten‹ eins auswischen wollen, indem man ›nix hackelte, um nix zahlen zu können‹. Schleichend war aus dem einen oder anderen Bier am Abend eine Gewohnheit geworden. Irgendwann ›merkte man dann halt doch irgendwie‹, dass es ohne nicht mehr so recht ging. Mittlerweile war es ihnen bereits egal, wie viel sie getrunken hatten. Ihre einzige Sorge war, dass ihnen der Alkohol nicht ausging.
Sam erschrak, als er sein Gesicht im Wasser des Stadtparkteichs spiegeln sah. Die Narrenkleidung war er immer noch nicht losgeworden. In der Nacht warf er sich einen modrigen Pelzmantel über, den er aus der Altkleidersammlung geklaut hatte. Die großväterliche Sporthose, die er ebenfalls mitgenommen hatte, würde man nicht einmal mehr im Kongo freiwillig tragen. Doch das Schlimmste war der rote Fleck auf seiner Stirn. So sehr er auch geschrubbt hatte, ohne ordentliche Seife brachte er dieses Schandmal nicht herunter. Als kurz davor Kinder an ihm vorbeigegangen waren, hatten sie ihre Eltern gefragt, warum denn der liebe Clown so finster aussah.
»Eigentlich könnte ich ja …« Er hätte es wissen müssen! Er blickte zurück.
Nach der Flucht vor ihrem Verfolger war mal eine Pause angesagt. Er musste seine Gedanken sortieren, weiter planen und sich dann auf die Suche nach den fehlenden Antworten machen. Mit einem ›Sechsertragerl‹ im Stadtpark hatte es angefangen …
Was ist denn schon dabei? Jeder hat einmal ein bisschen Pech. Aber noch ist alles dran, zwei Arme und zwei Beine. Und vor allem das Hochleistungshirn funktionierte noch.
Was ist eigentlich los mit mir? Eigentlich könnte ich den Fall ja selbst aufklären. Was mir fehlt, sind Informationen! Wenn ich mal verstehe, wie Esoteriker denken, verstehe ich auch, warum der Mörder Alice Heisenstein umgebracht hatte. Ist ja alles kein Problem! Ich brauch ja nur bei ein paar so schrägen Vögeln vorbeischauen und ihnen ein paar Fragen stellen.
Na, da schau her! Da ist ja schon so ein Flyer. ›Treffen des Lichts! Heilkreis mit Freunden!‹ Sogar heute! Naja, Esoterik ist Esoterik. Im Nullkommanichts sitz ich wieder in der Westernbar und stoß mit Horst an!
Als er dann am Abend in einem Keller in Wien-Favoriten bei Menschen in wallenden, weißen Gewändern saß, kamen erste Zweifel auf. Sam machte vorwiegend mit Hausfrauen Bekanntschaft, deren Kinder flügge geworden waren und nun einen neuen Sinn in ihrem Leben suchten. Mit von der Partie waren auch ein Bücherlieferant mit langen Haaren, der bei jedem Blödsinn laut hinaus polterte und selbst irgendeinen Blödsinn von sich gab, zwei Pensionisten und drei Männer, die sich später als langzeitarbeitslos herausstellen würden, obwohl sie die ganze Zeit vom Unternehmenserfolg sprachen. Der, der den Ton angab, stellte sich als Leiter des Illuminatenordens, Mitglied des ältesten Rats der heidnischen Naturreligionen und Vorsteher eines Ritterbunds vor und durfte Großmeister Ernst genannt werden.
Die Begeisterung im Sesselkreis war unverkennbar. Manche hatten sogar wässrige Augen, weil der Besuch eines Gurus angekündigt worden war. Sam hörte einen sanften Gong, die esoterische Musik im Hintergrund wurde leiser und der grauhaarige Ernst erhob sich.
»Herzlich willkommen im Zirkel des Lichts! Ein neues Zeitalter bricht heran und mit ihm steht die Ankunft der großen Meister bevor. Lange haben sie den Umschwung im Geheimen begleitet. Endlich treten sie ins Licht. Ich hatte die Ehre, das Lichtwesen Helios bei einem ›spritual walk‹ kennenzulernen. Ich spürte sofort, wie sehr diese Begegnung mich mit Licht erfüllen würde.«
Sam applaudierte, doch Ernst war noch lange nicht mit seiner Rede fertig. Monoton sprach er mit einer sanften Stimme weiter. Unentwegt erzählte er von Energiekegeln, Erd-Chakren, Engeln und Lichtwesen. Sam überkam Müdigkeit und sein Kopf sacke mehr und mehr nach vorne. Er erntete finstere Blicke, als er sich wieder aufrichtete.
Nach einer geschlagenen Stunde endete der Vortrag und es wurde eine Pause angekündigt. Die perfekte Chance! Eine weitere Stunde Heilsgeschwafel würde er nicht aushalten. Er stellte sich als Shitifarta vor. Natürlich erklärte er jeden im Kreis, sein Name bedeutete in Altsanskrit ›Der vom Wind Erleuchtete‹. Manche beneideten ihn sogar um seine Segnung durch den indischen Meister Sri Pallawatschankra, als der ihn in seinem Ashram in den fünften Grad der Mumu-Sekte initiiert hatte.
»Willst du etwas von meinem Aurasoma
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