Der Narr
würde. Doch während diese Miranda Lamiranda monoton von Licht, einer neuen Weltordnung und Erleuchtung faselte, stellte sich keine Linderung ein. Als er merkte, dass sie noch länger reden würde, nutzte er die Gelegenheit auf die Toilette zu flüchten und sich zu übergeben. Als er zurückkehrte, starrte ihn jeder entsetzt an.
»Entschuldigung!«, sagte er. »Bei all dem Licht dürfte ich die stoffliche Nahrung nicht mehr vertragen!«
Mittlerweile war sie mit ihrer Ansprache fertig und Sam beschloss nun doch, sich diese menschliche Photovoltaikanlage anzusehen. Ein spindeldürrer, junger Mann betrat den Raum. Sam schätzte ihn auf etwa Mitte zwanzig. Er war so bleich, als hätte er noch nie die Sonne gesehen. Unbeholfen, die Hände angewinkelt, watschelte er gebückt in die Mitte und setzte sich auf einem vorbereiteten Stuhl. Sam fixierte sein Haupt. Es war nicht der violette Punkt auf seiner Stirn, es war auch nicht der Lorbeerkranz, der ihn faszinierte. Was er sich fragte war, wie es möglich war, dass ein junger Mann in diesen jungen Jahren bereits vollständig ohne Haarkranz kahl war.
Prinz Helios erhob die Hand zum Gruß und sprach mit blecherner Stimme: »Ich grüße euch Erdenwesen.«
Und dann passierte es. Es war der Moment, bei dem ein Geek und ›Star Trek‹-Freak nicht einfach zusehen konnte, ohne einen Kommentar von sich zu geben. Das war der Auslöser dafür, dass man danach mit Schuhen nach ihm warf und ihn sogar ›Fürst der Finsternis‹ schimpfte.
Er hätte Helios einfach nicht ›Jean Luc‹ nennen dürfen. Die Vergleiche mit dem kahlköpfigen Captain der Enterprise hatten den Erleuchteten vergrämt. Auch seine Frage, ob er auch bei Nacht leuchten würde und ob man ihn als Lampe mieten könnte, war unpassend. Sein Verderben war aber, den Erleuchteten auf seinen offenen Hosenstall hinzuweisen und einen Lichterkettenwitz zu machen.
Man hatte nach ihm getreten und ihn einen Dämon genannt. Alles, was er von diesem Abend mitgenommen hatte, war ein rotes ›Drittes Auge‹ auf seiner Stirn.
Sam seufzte. Er hatte eine ungemütliche Nacht auf einer Parkbank hinter sich. Das war schlimm, aber er würde nicht daran sterben. Dennoch sollte es seine letzte Nacht unter freiem Himmel sein. Neuer Tag, neues Glück! Er musste die anderen wieder finden. Er hatte keine Adressen und auch keine Telefonnummern, doch er wusste ganz genau, wo er zumindest ein paar der Tuathas antreffen konnte: auf der Universität.
*
»Glücklich sind Beamte, wenn die Landsleut’ gemütlich sind!«
Ein mittlerweile pensionierter Kollege hatte in jungen Jahren sein Können unter Beweis stellen wollen und ein Banner mit diesem Spruch mit einem Nadeldrucker auf Endlospapier ausgedruckt. Was mittlerweile jeder dank moderner Technik, Remmel ausgenommen, auf Knopfdruck beherrschte, erforderte damals noch spezielles Können.
Der Chefinspektor hatte bislang keinen Grund gesehen, das vergilbte Uraltbanner über dem Eingang zu entfernen. Mittlerweile fiel die verblichene Schrift, die viele Kollegen überlebt hatte, niemandem mehr auf. Bürokollegen kamen und gingen, mit ihnen ihre Utensilien. In der Vergangenheit hatten sich vor allem Rapid- und Austria-Wimpel an den Wänden abgewechselt.
Nach etlichen Jahren hatte Remmel es endlich geschafft, das Büro für sich alleine zu haben. Von den Fußball-Devotionalien war nur ein ausgeblichenes Schneckerl-Prohaska-Bild aus den Achtzigern übrig geblieben. Es hatte das Bild des Bundespräsidenten schon ersetzt, bevor Remmel in das Büro gezogen war. Als der Chefinspektor schließlich auch das Kreuz von der Wand montieren wollte, hatte es Proteste gegeben. Seitdem Remmel gemerkt hatte, dass seine Vorstellung der Trennung von Staat und Kirche nicht durchzusetzen war, nutzte er das Kreuz als Kleiderhaken für sein Sakko.
Neben ›Schneckerl‹ hing ein riesiges ›Daffy Duck‹-Poster. Der Verkäufer im Comicladen hatte ihm erklärt, dass es aus einer Science-Fiction-Serie stammte, in der es scherzhaft als Abbild des ›altägyptischen Gottes der Frustration‹ gesehen wurde.
Den Blick starr nach vorne gerichtet, ignorierte Remmel einmal mehr das Telefon. Er wartete gemächlich darauf, dass sein Rechner hochgefahren war, klickte einmal mehr erfolgreich alle blinkenden Updatewarnungen weg und startete sein Schachprogramm. E2-E4, E7-E5, F2-F4.
Das Telefon klingelte weiter. Wenigstens bis zur ersten Leberkässemmel hätte der Anrufer warten können! Er gähnte noch einmal und streckte
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