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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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probieren?«, eine gelockte, magersüchtig wirkende Mittvierzigerin in einem indischen Sari blickte ihn liebevoll an.
    »Klar, gib her!«
    Sie starrte Sam entsetzt an, als er ihr das Fläschchen entriss und davon trank. Seine Sitznachbarin benötigte offensichtlich einige Zeit bis sie sich durchringen konnte, etwas zu sagen. Doch Sam dämmerte schnell warum. »Das heilige Aurasoma wird doch auf die Haut aufgetragen.«
    Er hustete, bis man ihm auf den Rücken klopfte. »Nein, nein, das passt schon«, röchelte er, »Innere Chakrenreinigung!«
    »Das geht?«
    »Na klar, das putzt so richtig durch und entschlackt. Da löst du jede Blockade im Körper auf. Könntest du mir bitte kurz das Wasser da reichen? … Ist mir scheißegal, ob das geweihtes Wasser aus Varanasi ist.« Nach ein paar Schlucken verflüchtigte sich der scheußliche Geschmack in seinem Mund. Als Sam tief durchatmete, kam ihm wieder eine Dokumentation über Indien in den Sinn: Varanasi, Ganges! Langsam verdeutlichte sich das Bild von Menschen … von vielen Menschen ... der ganze Fluss war voll davon. Immer mehr Inder betraten betend und irgendwelche Gesänge raunend das Wasser. Sie badeten und wuschen sich. Und seine Vorstellung wanderte zu einem alten Inder, der seine Hose runterzog und drauf und dran war tatsächlich in den heiligen Fluss hinein zu … Bei der Vorstellung des ›Aufplatschens‹ wurde er in die Realität zurückgerissen. Varanasi! Er musste Zeit gewinnen, indem er alles auf das Atmen reduzierte. Jede falsche Bewegung könnte einen Brechanfall auslösen.
    Doch schon bald wankte einer der beiden Pensionisten auf ihn zu: »Viele Menschen spüren Veränderungen, die wissenschaftlich nicht erklärbar sind«, murmelte er. »Sie entdecken ihre hellfühlige Seite, die sie in die Lage versetzt, telepathische Botschaften zu empfangen. Manche können sogar durch Gedankenkraft Gegenstände bewegen. Sie können ihren Körper verjüngen und unterliegen keinem Alterungsprozess mehr.«
    Wie gerne hätte er dem Rentner, der wie ein wandelnder Zombie aussah, auf die Schuhe gekotzt. Während er weiter von der ›hellfühligen Seite‹ schwärmte, kam einer der Langzeitarbeitslosen von der anderen Seite angetänzelt: »Bei den meisten Menschen sind nur 10 bis 15 Prozent ihres Hirns aktiv. Bei uns lernst du, dein Hirn vollständig zu nutzen.«
    Sam war nicht in der Lage, irgendetwas zu antworten. Er hätte am liebsten abwechselnd dem ›jugendlichen Pensionisten‹ und dem ›langzeitarbeitslosen Top-Manager‹ auf die Schuhe gekotzt. Ernst wurde zu seinem Retter. Er rief dazu auf, ein lautes »Ohm« anzustimmen und in der Mitte des Raumes eine goldene Energiekugel zu visualisieren. Zeit zum Durchatmen.
    »Unsere Verdauungsorgane verlieren mit fortschreitender Entwicklung des Lichtkörpers ihre Funktionen. Ähnlich wie Pflanzen sind wir in der Lage, Licht direkt für die Energieversorgung nutzen können. Je höher wir die Lichtstufen emporklettern, desto weniger stoffliche Nahrung brauchen wir. Die großen Meister können bereits ausschließlich von dieser Energie leben. Und einen von ihnen können wir heute in unserer Mitte begrüßen. Ich begrüße nun die große Seherin Miranda Lasmiranda, die den Lichtkörperprozess bereits vor Jahren abgeschlossen hat. In ihrer Begleitung ist ihr Sohn, seine Heiligkeit Prinz Helios. Er ist ein in einen menschlichen Körper inkarniertes Lichtwesen. Er lebt teilweise in dieser, aber auch transzendent in der Lichtwelt. Durch unsere Energie, die wir in die Mitte des Raumes strahlen, wird es ihm möglich sein, für kurze Zeit vollständig, wirklich vollständig, seine Lichtnatur offenbaren zu können, um uns die Botschaft des Lichts zu bringen.«
    Eine klapprige, blonde Frau um die fünfzig mit wallenden, weißen Gewändern trat in die Mitte. Mit dick aufgetragener Schminke überdeckte sie so manchen Altersfleck. Ihre Lippen und ihre Wangen waren eindeutig mit Botox behandelt worden. Sie hielt ihre dünnen Hände zu einem ›galaktischen Gruß‹ hoch. Langsam und mit tiefer Stimme verkündete sie: »Ich grüße euch, Kinder des Lichts. Ich verkünde heute die Ankunft des Erhabenen. Schon bei Anbeginn des Universums aus purem Licht geformt, tritt er heute unter uns. Sein wahrer Name ist uns noch verborgen, doch in den kommenden Tagen und Monaten, in denen das Licht voll über die Welt hereinbrechen wird, wird auch dieses Geheimnis gelöst werden.«
    Sam hatte beschlossen, zu verschwinden, sobald sein Magen es zulassen

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