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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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weit.
    »Was hat denn die alte Dörrzwiebel so erzählt?«
    »Komm schon, du weißt, dass ich diesen Spitznamen nicht mag!«
    Natürlich wusste er das. Deswegen hatte er ihn ja benutzt.
    »Schon gut, ist mir so rausgerutscht.«
    »Du hast dich inzwischen ganz gut eingelebt im Sittendezernat, habe ich gehört?«
    »Wie man’s nimmt. Ist immer noch nicht mein Lieblingsressort, auch wenn’s heute Abend zur Abwechslung mal rundgeht.«
    »Dank deiner Arbeit, mein Junge! Glaub mir, das ist auch ganz oben bekannt, dass du den entscheidenden Durchbruch erzielt
     hast! Vielleicht kannst du bald wieder in einem interessanteren Ressort arbeiten. Karl meinte, dass du bald einer Mordkommission
     zugeteilt wirst.«
    »Das ist hier so üblich. Nichts Besonderes, da kommt jeder mal an die Reihe. Und nach vier Wochen heißt es: zurück ins Glied.«
    »Mag sein. Aber Karl kennt dich noch aus Köln, er weiß, dass du in der Sitte nichts verloren hast. Demnächst wird in der Inspektion
     A eine Planstelle frei. Soll mit einem Kommissar besetzt werden.«
    »Aha.« Er ahnte schon, was jetzt kam.
    »Karl würde sie gern mit dir besetzen. Natürlich kann er Gennat gegenüber nicht mit deinen Kölner Referenzen argumentieren.
     Das bleibt Verschlusssache, nicht dass die alten Geschichten wieder nach oben kommen. Aber er will dir eine Chance geben,
     dein Talent zu zeigen.«
    »Was soll das heißen?« Er spürte, wie sein Tonfall aggressiver wurde. Konnte sich der Alte nicht einfach mal aus seinem Leben
     heraushalten?
    »Nun werd nicht gleich böse. Du weißt, der Polizeipräsident legt größten Wert darauf, dass jeder Mitarbeiter nach seinen besonderen
     Fähigkeiten eingesetzt wird. Karl hat mit dem Leiter der Mordinspektion schon darüber gesprochen, dir nach Möglichkeit eine
     verantwortliche Aufgabe in einer Mordkommission zu übertragen. Und wenn du das erfolgreich meisterst, mein Junge, und daran
     hegen wir doch alle keinerlei Zweifel, dann hast du beste Aussichten auf den freien Posten. Na, ist das eine gute Nachricht?«
    Er starrte wie in Trance auf den Stadtplan an der Stirnseite ihres Büros, auf dem die sündigsten Orte Berlins mit bunten Fähnchen
     markiert waren. Das hatte der Alte ja prima eingefädelt. Da war sie, die große Chance für Kriminalkommissar Gereon Rath! Zörgiebel
     selbst wollte ihn in die Inspektion A hieven! Nach einer kleinen Anschubhilfe durch Engelbert Rath.
    »Bislang hat mir hier noch niemand gesagt, dass ich überhaupt in die Mordinspektion komme«, sagte er. »Geschweige denn, was
     ich dort Tolles leisten soll.« Ein lauer Protest. Er ärgerte sich über sich selbst. Nicht nur über diese Antwort. Immer wenn
     er mit seinem Vater sprach, kam er sich irgendwann vor wie ein kleiner Junge.
    Was hatte er in einer Woche schon erreicht? Einen Unterweltboss aufgeschreckt, die russische Kolonie in Berlin gegen sich
     aufgebracht und des Nachts heimlich eine Leiche verschwinden lassen. Herzlichen Glückwunsch! Eine tolle Bilanz! Hätte sein
     Vater nur einen Tag früher angerufen, wäre all das nie geschehen. Kein Schuss, kein Toter. Er hätte weiter seinen Dienst in
     der E geschoben und der Versetzung zur A gelassen entgegengesehen. Hätte, wäre, könnte.
    Die ungeduldige Stimme Engelbert Raths riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Oder?«, knarzte es noch einmal aus dem Hörer. Er hatte keine Ahnung, worauf sich dieses oder bezog.
    »Wie bitte?«
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Die Verbindung war gerade so schlecht.«
    »Ich habe gesagt, dass du offiziell auch jetzt noch nichts davon weißt. Aber ich denke, es ist besser, du bist informiert,
     oder? Du kennst doch meine Devise: Wissen …«
    »… ist Macht.«
    Der alte Wahlspruch. Rath hatte immer schon gedacht, dass sein Vater besser bei der Politischen Polizei aufgehoben wäre.

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    18
    O bwohl die Sonne schon vor vielen Stunden hinter den Häusern verschwunden war, lag immer noch eine angenehme sommerliche Wärme
     in den Straßen. Das Theater am Nollendorfplatz spuckte gerade das Publikum der letzten Vorstellung aus, als zwei Lastwagen um die Ecke bogen und in die Motzstraße rasten.
     Die Kinobesucher sahen den Wagen nach, die wenige Meter hinter der amerikanischen Kirche mit quietschenden Reifen hielten.
     Die Ladeklappen öffneten sich fast gleichzeitig, und nacheinander sprangen blauuniformierte Männer auf den Asphalt. Da schien
     etwas los zu sein! Einige Kinogänger erwarteten offensichtlich eine Fortsetzung des Films im richtigen

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