Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
Leben und schlenderten
     neugierig dorthin. Andere schlugen unauffällig die entgegengesetzte Richtung ein. Für manche Nachtschwärmer gab es Gründe,
     den Kontakt mit der Polizei nicht gerade zu suchen, nicht einmal als Schaulustige.
    Rath stand neben Wolter an einem grünen Opel auf der gegenüberliegenden Straßenseite und beobachtete das Spektakel. Im Fond saß Stephan Jänicke neben einem bleichen Mann, dessen Hände
     mit Handschellen ans Verdeckscharnier gekettet waren. Sie hatten den Wachtposten, der sich unauffällig vor der Pille herumgetrieben hatte, vor wenigen Minuten erst überwältigt. Der Onkel hatte keine Mühe gehabt, dem Mann bei einem kleinen
     Tête-à-Tête im Wageninneren das Klopfzeichen zu entlocken, mit dem sich die stählerne Tür des Kellerlokals wie von Zauberhand
     öffnen ließ. Dann war er ausgestiegen und hatte dem Zivilbeamten am Nollendorfplatz das vereinbarte Signal gegeben. Es hatte
     keine zwei Minuten gedauert, bis die beiden Lastwagen anrollten.
    Rath und Wolter überquerten die Straße, und die einsatzbereiten Schupos schauten sie erwartungsvoll an. Auf einen kurzen Wink
     Wolters folgten sie den beiden Kriminalbeamten durch einen Hofeingang. Der Onkel ging eine Treppe hinunter und klopfte an
     die unscheinbare Souterraintür. Dreimal kurz, zweimal lang, das war’s schon, und in der Stahltür öffnete sich eine Klappe.
     Gedämpfte Musik war zu hören.
    »Du bist aber spät dran, Süßer«, sagte eine überraschend helle Stimme. In der Klappe war ein Augenpaar zu erkennen, in dem
     die Pupillen aufgeregt von rechts nach links tanzten. Offensichtlich vermisste da jemand den Wachhund, der die Gäste normalerweise
     zur Pforte führte und anklopfte.
    »Wo steckt denn Johnny?« Die Stimme klang plötzlich misstrauisch und gar nicht mehr einladend.
    »Der ist mal eben pinkeln«, sagte Wolter und steckte im selben Moment den Lauf seiner P 08 durch die Klappe. »Aber ich und
     meine Freunde, wir kommen doch auch so rein, oder?«
    Die Tür öffnete sich und gab den Blick frei auf einen hageren Transvestiten im grünen Samtkleid, der die etwas zu muskulösen
     Arme in die Höhe streckte.
    »Kommst du vom roten Hugo? Du bist lebensmüde, wenn du hier Ärger machen willst! Damit kommt ihr nicht durch!«
    »Wir sind nicht lebensmüde, wir sind viele.« Wolter wies mit einer kurzen Kopfbewegung die Treppe hoch. »Und außerdem haben wir Uniformen, Schätzchen. Richte dich schon mal darauf ein, dass du heute Nacht am Alex übernachten darfst.«
    Er reichte den Mann in Frauenkleidern nach hinten durch, wo er von zwei Schupos in Empfang genommen und mit Handschellen versehen
     wurde. Ein Trupp ging mit Wolter und Rath hinein, der andere blieb draußen, um die Kunden zu versorgen und die Nummernschilder
     der Autos zu notieren, die vor dem Hoftor parkten.
    Als die Männer in den blauen Uniformen die Treppe hinunterstiegen und in den langen, dunklen Gang traten, der zu den eigentlichen
     Vergnügungsräumen führte, setzte hektische Betriebsamkeit ein. Ein halbes Dutzend Männer lungerte dort herum, und einige schienen
     erst jetzt zu begreifen, was los war. Wolter hatte die Blechmarke auf seiner Weste freigelegt und ging mit langsamen Schritten
     und gezückter Waffe das Kellergewölbe entlang. Auch Rath hatte seine Mauser gezogen und folgte dem Kollegen. Erst jetzt fiel
     ihm ein, dass er sie seit dem Zwischenfall gestern nicht nachgeladen hatte. Er betete, bei diesem Einsatz hier keinen Schuss
     abgeben zu müssen, sonst würde am Ende noch auffallen, dass in seinem Magazin eine Patrone fehlte. Hinter ihnen rückten die
     Schupos vor, ebenfalls mit gezogener Waffe.
    Sie trieben die Männer vor sich her, einige ergaben sich in ihr Schicksal, die meisten liefen davon. Es ging zu wie in einem
     Fuchsbau, die Füchse flüchteten zum zweiten Ausgang, nicht ahnend, dass auch dort eine Meute Hunde wartete. Scharfe Hunde.
     Einen Lastwagen hatten sie an der Kleiststraße postiert, an einem Hof, den man über den Hinterausgang der Pille erreichen konnte. Dort wartete ein Trupp abgebrühter Uniformierter, die nicht lange fackelten, denn dorthin würden vor allem
     die fliehen, die sich in diesem Kellerlabyrinth bestens auskannten. Die harten Jungs.
    Die Musik wurde lauter, und plötzlich standen sie in einem großen Gewölbe, in dem nur wenige schummrige Lampen brannten. Am
     hellsten war es auf der Bühne, die von einem Scheinwerfer in grelles Licht getaucht wurde. Zwei Frauen umarmten sich und

Weitere Kostenlose Bücher