Der nasse Fisch
verbotenen Dinge wie Rauschgift, pornographische Bilder oder sogar Waffen bei sich trug, der konnte
seine Papiere wieder einstecken und nach Hause gehen, vorausgesetzt, er hatte sich nicht in irgendeiner anderen Form verdächtig
gemacht. Wer nicht hinausspazieren durfte, wurde den Uniformierten draußen auf dem Gang übergeben, wanderte zunächst zum Fotografen
des ED und dann ins Polizeigefängnis der Burg.
Der Polizeiapparat lief wie geschmiert. Hier im Konferenzsaalhatten sie eigentlich nicht mehr viel zu tun. Außer sich blicken zu lassen. Das war Ehrensache. Sie hatten die Aktion Nachtfalke zu verantworten, die den Beamten im Saal eine Nachtschicht beschert hatte. Und das am Wochenende.
Rath schlenderte ziellos durch die Reihen. Es konnte nicht schaden, hier die Augen offen zu halten. Erste Eindrücke sammeln
und überlegen, wie die Verhöre morgen anzugehen waren. Über fünfhundert Leute hatten sie heute eingesammelt, davon würde schätzungsweise
ein Sechstel nach Aufnahme der Personalien den Rest der Nacht im Polizeigewahrsam verbringen. Immer noch achtzig bis neunzig.
Und die mussten alle vernommen werden.
»Sie hier, junger Freund! Was für eine Überraschung. Tja, wenn man nicht aufpasst! In den Pegasus gehe ich nicht noch einmal, das sage ich Ihnen!«
Rath drehte sich um. Oppenberg, der Filmfritze aus dem Venuskeller , strahlte ihn an. Ausgerechnet der. Der Mann, der ihm Kokain spendiert hatte. Die Razzia hatte ihm die Laune nicht verderben
können. Vielleicht war er so was ja gewöhnt.
Oppenberg wurde vertraulich. »Machen Sie sich mal keine Sorgen«, flüsterte er. »Die Bullen lassen uns schon wieder gehen.
Hauptsache, Sie haben Ihre Papiere dabei und keinen Schnee in der Tasche.«
Rath kam gar nicht dazu zu antworten. Der Kerl war genauso redselig wie bei ihrer ersten Begegnung.
»Wo hat man Sie denn aufgegabelt? Waren Sie wieder im Venuskeller ? Neulich waren Sie so schnell verschwunden, Vivian hat Sie ziemlich vermisst. Na, was soll’s! Unseren Spaß hatten wir trotzdem!«
Er knuffte Rath in die Seite, während er sich umschaute. Wahrscheinlich nach dem Engel. Nichts zu sehen von Vivian. Vielleicht
war sie den Schupos entkommen. Rath hätte ihr das ohne weiteres zugetraut.
Einer der blauuniformierten Aufpasser hatte die Szene bemerkt und drängelte sich nach vorne.
»Ruhe, Freundchen«, sagte er und tippte Oppenbergs Schulterunsanft mit dem Gummiknüppel an. »Nun lassense mal den Herrn Kommissar zufrieden!«
Überrascht schaute der Filmproduzent erst den Schupo und dann den Kriminalkommissar an. Für einen Moment trafen sich ihre
Blicke, dann ließ Rath seine Augen auf den Uniformierten schwenken.
»Schon gut, Herr Wachtmeister«, sagte er zu dem Blauen. »Der Herr hat mich nur auf etwas Wichtiges aufmerksam gemacht.«
Bevor sich Rath noch unbehaglicher fühlen konnte, lenkte ein lauter Schrei alle ab. Alle Köpfe drehten sich in eine Richtung.
Am anderen Ende des Saales mussten ein paar Wachen eingreifen, als zwei Männer aufeinander losgehen wollten, die sich in den
Warteschlangen offenbar wiedererkannt hatten. Was sie einander vorwarfen, war nicht zu verstehen, doch beide hatten hochrote
Köpfe. Zuhälter, vermutete Rath, der den Tumult nutzte und sich unauffällig von Oppenberg entfernte. Die Beamten trennten
die Streithähne und brachten sie nach draußen. Wer sich hier so benahm, hatte sich eine Nacht in der Zelle redlich verdient,
da brauchte es keine weiteren Untersuchungen.
Die Begegnung mit dem Filmfritzen hatte Rath wieder an die letzte Nacht erinnert, die er am liebsten nicht nur aus seinem
Gedächtnis, sondern auch aus seinem Leben streichen würde.
»Ganz schön was los hier, was?«
Bruno stand neben ihm, wie aus dem Nichts gewachsen.
Rath nickte. »Nicht so langweilig wie Zörgiebels Versammlungen.«
»Ja, endlich mal Leben in der Bude.«
»Und?«, fragte Rath. »Singt unser Mann schon ein bisschen?«
»Ist sturer, als ich dachte. Obwohl ich ihm klargemacht habe, was ihm blühen kann. Der Blondschopf ist jetzt bei ihm. Mal
abwarten, wer länger schweigen kann.«
Das nächste bekannte Gesicht entdeckte Rath rechtzeitig. Eigentlich waren es sogar gleich zwei: die Visagen der beiden muskelbepackten
Russen aus der Kakadu-Bar . Die, die ihn gegen ihren Willen auf das Café Berlin und damit auf Kardakows Spur gebrachthatten. Auch beim Warten auf die erkennungsdienstliche Überprüfung schienen die beiden unzertrennlich zu sein, das
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