Der nasse Fisch
Ladeklappe noch offen war, zwei
Schupos machten sich daran zu schaffen. Die beiden Kriminalbeamten grüßten und traten näher. Rath warf einen kurzen Blick
auf die Ladefläche, konnte aber nicht viel erkennen.
»Du bist aber ein Süßer«, sagte eine weibliche Stimme, »vielleicht sollten wir zwei heute noch was unternehmen!«
Ein paar Frauen fanden das lustig, doch das Kichern wurde von einem männlich rabiaten »Schnauze!« abgewürgt. Nicht zu erkennen,
ob es von einem Kollegen drinnen im Wagen oder von einem Zuhälter stammte. Während Wolter noch ein paar Worte mit den beiden
Schupos wechselte, trat Rath etwas beiseite und zündete sich eine Zigarette an. Diese Razzia war ihre letzte heute gewesen.
Insgesamt neun illegale Nachtlokale hatten sie in dieser Nacht ausgehoben, bei den meisten Einsätzen waren sie selbst vor
Ort gewesen, von einer Aushebung zur nächsten gerast, einem minutiösen Zeitplan folgend. Und nun war es vorbei. Tief inhalierte
Rath den Rauch seiner Zigarette, als wäre es Sauerstoff.
Bruno stand neben dem Beamten, der gerade die Klappe des letzten Lastwagens verriegelte und als Wache zurückbleiben sollte.
Nachdem sich das Fahrzeug brummend in Bewegung gesetzt hatte, sagte der Onkel noch etwas zu dem Schupo und kam herüber. Noch
im Gehen holte er seine Zigarettenschachtel aus der Jacke.
»Die haben wir uns verdient, was?«, sagte er, als er rauchend neben Rath stand.
»Elftes Gebot: Du sollst deinem Chef nicht widersprechen.«
»Froh, dass es vorbei ist?«
Rath nickte.
»Du siehst müde aus.« Wolter schaute ihn an. »Letzte Nacht wenig geschlafen?«
Die Ränder unter den Augen sagten alles. Das konnte mannicht verstecken. Rath zuckte mit den Schultern. »So ’ne Aktion ist schließlich auch nicht alltäglich.«
»Stimmt. Hätte auch voll in die Hose gehen können. Aber jetzt kannst du wieder aufatmen. Kein Laden dabei, den wir nicht zu
Recht auseinander genommen haben. Keiner, der Lunte gerochen hat. Und den ollen Lanke haben wir auch nicht beim Bumsen erwischt.
Besser kann’s doch nicht laufen.«
Rath musste grinsen, als er sich den Chef der Inspektion E mit einer Nutte in Aktion vorstellte. Aber Bruno hatte recht. Es
hatte kaum Pannen gegeben. Höchstens eine Hand voll Nachtschwärmer war entkommen, dafür waren ihnen in jedem Lokal ein paar
harte Jungs ins Netz gegangen. Und an Beweismaterial hatten sie einiges mitnehmen können, in manchen Läden hatten die Betreiber
sogar fein säuberlich Buch geführt. Den Sinn einer solchen Aktion sah Rath allerdings immer noch nicht ein. Verbrecherkaschemmen
ausheben, Drogenverstecke, Waffenlager, das alles machte Sinn. Aber Nachtlokale? Wenn die Leute sich vergnügen wollten, sollten
sie sich vergnügen!
Wolter klopfte ihm auf die Schulter. »Mein Junge, nicht so nachdenklich! Ich hätt dir den Kopf schon nicht abgerissen, wenn
heute Abend ’ne Niete dabei gewesen wäre. Wir haben die Aktion zusammen geplant, und wenn irgendwas danebengegangen wäre,
dann hätte ich meinen dicken Schädel schon dafür hingehalten. Und da hätte Lanke lange dran reißen können, der hält was aus.«
»Ist ja alles glattgelaufen.«
»Ja. Und wenn sich die rund drei Dutzend engsten Freunde des Innenministers, des Reichskanzlers und des Kaisers von China,
die wir heute zum Alex geschickt haben, nicht noch beschweren, dann dürften wir wohl keinen Ärger bekommen.« Wolter schaute
auf die Uhr. »In zwei Stunden müssten wir durch sein. Hältst du dich so lange noch auf den Beinen?«
»Eine Kanne starker Kaffee, ein paar Zigaretten, und ich dreh dir bis übermorgen die härtesten Kerle durch die Mangel!«
»Na, wir wollen mal nicht übertreiben. Spätestens um drei machen wir Schluss. Wenn du willst, bring ich dich nach Hause.Heute noch ein bisschen aussortieren. Die eigentliche Arbeit wartet sowieso morgen auf uns. Da solltest du ausgeschlafen sein.
Wird ein langer Tag.«
»Das wird Stephan nicht gerade freuen.«
»Wieso?«
»Das macht ihm seinen Fußballsonntag kaputt. Spielt Hertha morgen nicht in der Plumpe?«
»Apropos. Wir sollten mal nach ihm schauen. Nicht dass er sich noch Sorgen macht.«
Sie warfen ihre Zigaretten auf das Pflaster und gingen an dem Wachtposten vorbei zurück in den Keller.
»Lanke hat sich neulich übrigens nach dir erkundigt«, sagte Wolter beiläufig, als Raths Taschenlampe ihnen den Weg zurück
durch das Labyrinth leuchtete.
»So?«
»Hat mich sogar zu Hause angerufen.
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