Der nasse Fisch
sich Schmauchspuren.« Rath stockte und zuckte mit den Schultern.
»Aber mehr wissen wir noch nicht.«
»Mehr wissen Sie nicht? Das ist doch schon eine ganze Menge! Und das in dieser kurzen Zeit! Glauben Sie mir, es gibt Ermittler,
die tappen in dichterem Nebel. Und das nach wochenlangen Ermittlungen!«
Der PP schien sich auf Böhm eingeschossen zu haben. Manchmal traf es eben auch die Richtigen, dachte Rath.
»Eine Mordermittlung ist nie einfach, Herr Polizeipräsident.« Er wurde langsam lockerer. Schon mal ein bisschen vorbauen.
Der Tag würde kommen, an dem auch Kommissar Rath den Polizeipräsidenten würde enttäuschen müssen. Und er würde bald kommen.
Ob Vaters Duzfreund ihn dann immer noch so freundlich empfing?
»Was ist schon einfach?« Zörgiebel machte eine wegwischende Handbewegung. »Hier oben müssen Sie sich mit Politik auseinandersetzen
– glauben Sie mir, da beneide ich manchmal den Beamten auf der Straße für seinen harten, aber ehrlichen Dienst.«
Rath zog es vor, das nicht zu kommentieren. Er bezweifelte, ob der Polizeipräsident auch nur eine annähernde Vorstellung davon
besaß, wie der Dienst auf der Straße heute aussah. Er zuckte mit den Schultern. »Ich jedenfalls bin froh, wieder einmal in
einem Mordfall ermitteln zu dürfen.«
»Das freut mich, mein Lieber, das freut mich!« Zörgiebel wirkte richtig aufgekratzt. »Ich dachte, wir könnten für heute Morgen
eine Pressekonferenz einberufen. Was meinen Sie?«
Rath erschrak, ließ sich aber nichts anmerken. »Eine Pressekonferenz?« Er klopfte eine Overstolz aus der Schachtel und zündete
sie an. »Meinen Sie, dass das nötig ist, Herr Polizeipräsident? Wir müssen diesen Fall doch nicht an die große Glocke hängen!
Wahrscheinlich handelt es sich nur um das Opfer einer Schießerei unter Ganoven.«
»Nicht so bescheiden!« Zörgiebel paffte an seiner Zigarre. »Oder höre ich da etwa Angst vor der Öffentlichkeit aus Ihren Worten?
Keine Bange, mein Freund, ich weiß ja, wie übel die Presse Ihnen in Köln mitgespielt hat. Aber dieser Fall bietet Ihnen einen
guten Einstieg bei den Berliner Presseleuten, das sollten Sie nutzen, so etwas ist wichtig. Ich werde Ihnen auch zur Seite
stehen. Undschließlich …« Er machte eine Kunstpause und zog noch einmal an der Zigarre. Die Luft wurde langsam dicker. »… schließlich
war es diesmal ja nicht Ihre Kugel, die in der Leiche steckte, nicht wahr?« Zörgiebel lachte.
Rath konnte dem Humor des Polizeipräsidenten nicht viel abgewinnen. Er lächelte bemüht.
»Also abgemacht«, fuhr Zörgiebel fort, »Punkt elf im kleinen Konferenzsaal. Sehen Sie mal zu, dass Sie Ihre bisherigen Ermittlungserfolge
schön sortiert haben bis dahin. Eine Kopie an mich bitte eine halbe Stunde vor Konferenzbeginn. Und vielleicht fällt Ihnen
noch etwas ein, wie wir die Bevölkerung um Hilfe bitten könnten. Zeugen gesucht, Sie wissen schon. So was macht sich immer
gut. Dann haben Sie die Journaille schon auf Ihrer Seite, wenn Sie sie für so etwas einspannen können.«
»Macht es wirklich Sinn, dass ich als Mordermittler eine Pressekonferenz abhalte?« Rath inhalierte Zigarettenrauch. »Meine
Dienststelle ist die Inspektion E, Herr Polizeipräsident. Ich arbeite nur vorübergehend an einem Mordfall.«
»Mein lieber Rath, dass die Sittenpolizei nicht das Richtige für Sie ist, da sind wir uns ja wohl einig. Die besten Männer
brauche ich in der Inspektion A. Machen Sie Ihre Sache gut, und ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
Rath zog die Augenbrauen hoch und heuchelte Überraschung. Der PP musste nicht wissen, dass die Gerüchteküche längst in Gang
gesetzt war. Er drückte seine erst halb gerauchte Zigarette aus und zog das Schreiben aus der Tasche, das er gestern Abend
aufgesetzt hatte.
»Darf ich Ihnen das persönlich überreichen, Herr Polizeipräsident? Eigentlich wollte ich es in die Hauspost geben, aber da
ich nun ohnehin vom Herrn Polizeipräsidenten empfangen worden bin …«
Zörgiebel blickte irritiert auf den weißen Umschlag. »Was ist das?«
»Eine Bewerbung, Herr Polizeipräsident.«
»Aha.« Der Dicke nickte und nahm den Brief entgegen. Dannschien er zu verstehen, und ein Lächeln huschte kurz über sein Gesicht. Er sah Rath tief in die Augen.
»Wissen Sie was, junger Freund? Sie sind wahrhaftig ein Sohn Ihres Vaters!«
Ob es richtig gewesen war, sich ausgerechnet jetzt auf Roeders Stelle zu bewerben? Jetzt, wo er an einem Fall
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