Der nasse Fisch
mach mal kein Theater.
Bis zum Wochenende bleibst du bei uns. Wenn du bis nächsteWoche nichts Neues hast, kann ich immer noch anfangen, Miete einzutreiben.«
Bruno hob sein Cognacglas. »So«, sagte er, »und jetzt trinken wir erst mal auf Stephan Jänicke und darauf, dass sein Mörder
gefasst wird.« Sie stießen an. Für einen Moment sagte niemand etwas. Beide hingen ihren Gedanken nach.
»Das mit dir und Jänicke, das hätte eine gute Truppe werden können«, sagte Wolter nach einer Weile. »Quatsch«, verbesserte
er sich, »das war schon eine gute Truppe.«
»Ich hab den Kleinen irgendwie gemocht, auch wenn ich ihn kaum gekannt habe«, meinte Rath.
»Stephan war schon in Ordnung.«
»Wollte mich sogar mal zum Fußball mitnehmen. Aber ich hab abgelehnt.«
»Meinst du, er war einsam?«, fragte Wolter.
»Seine Familie und seine Freunde hat er jedenfalls in Ostpreußen zurückgelassen. Und ob er hier welche hatte …«
»Aber Berlin empfängt doch jeden Neubürger mit offenen Armen!«
»Ja, und mit geballten Fäusten.« Rath musste an seine eigene Ankunft in dieser kalten, fremden Stadt denken.
Wolter grinste. »Dann muss man eben zurückschlagen.« Er trank noch einen Schluck. »Irgendwie komisch«, meinte er plötzlich.
»Ich kenne weder Stephans Eltern noch irgendwelche Freunde. Erst jetzt, wo er tot ist, werden wir sie alle kennen lernen.«
»Bei der Beerdigung?«
Wolter nickte.
»Hast du eigentlich genug Leute?«, fragte Rath.
»Brenner sitzt zurzeit bei uns … bei mir im Büro. Tja, und am Dienstag kommt Gregor Lanke.«
»Mein Beileid!«
Bruno lächelte gequält. »Danke«, sagte er. »Aber spar dir die Beileidsbekundungen besser für nächste Woche auf. Eine Beisetzung
mit Fahnen, Uniformen und Salut. Zörgiebel persönlich will die Trauerrede halten.«
»Ich darf gar nicht daran denken«, sagte Rath. »Wie soll ich Stephans Eltern unter die Augen treten? Hätte ich ihn nicht von
dir ausgeliehen für meine kleine Mordkommission, dann wäre er vielleicht noch am Leben.«
»Hör bitte auf damit! Das weißt du doch überhaupt nicht!« Bruno klang verärgert. »Vielleicht war er einfach zur falschen Zeit
am falschen Ort. Und der Bülowplatz ist ein falscher Ort für einen Polizisten, wenn sich die Kommis da gerade zusammenrotten. Dann ist es auch egal, ob du bei der
Sitte arbeitest oder in der Mordinspektion!«
Er war aufgestanden und ging zu einem dunklen Schrank, hinter dessen Glastür sich die Hausbar befand. Mit der Cognacflasche
kehrte er zurück.
»Besser, die steht auf dem Tisch«, meinte er.
»Das ist vorsätzliches Besaufen, was wir hier machen.«
Bruno zuckte mit den Schultern und schenkte nach. »Wenn man sich an einem solchen Tag nicht vorsätzlich besaufen soll, wann
denn dann?«
Und da hatte er verdammt nochmal auch wieder Recht.
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23
A ls er am Morgen erwachte, wusste Rath erst nicht, wo er sich befand. Sein Schädel brummte, als er sich aufrichtete. Langsam
kam die Erinnerung. Bröckchenweise. Er hatte bei Bruno übernachtet. Sie hatten gesoffen, ihre Trauer über Jänickes Tod in
Cognac ertränkt. So hatte er zumindest gedacht. Um dann zu merken, dass es eigentlich gar keine Trauer war, die er empfand,
sondern Wut. Wut gepaart mit Angst. Eine Wut, die nicht wusste, auf was sie gerichtet war, eine Angst, die nicht wusste, vor
was sie Angst hatte.
Er hoffte, dass er Bruno nicht zu viel erzählt hatte, er konnte sich nicht mehr genau erinnern.
In einer Zimmerecke, direkt neben dem Stuhl, auf den er seine Sachen geworfen hatte, standen sein Koffer und ein großer Pappkarton.
Und erinnerten ihn daran, dass die Behnke ihn gestern rausgeworfen hatte. Er hatte kein Zuhause. Allzu lange wollte er den
Wolters nicht zur Last zu fallen. Er würde heute auf Wohnungssuche gehen.
Es klopfte an der Zimmertür. Die Stimme von Emmi Wolter. »Herr Rath? Sind Sie wach? Das Frühstück ist fertig.«
Bruno saß bereits am Tisch, als Rath das Speisezimmer betrat. Frisch geduscht, doch immer noch verkatert. Der Duft frisch
aufgebrühten Kaffees lag in der Luft. Bruno grinste breit, als er ihn sah. Schien mit einem Kater oder sonstigen Folgen des
gestrigen Abends keine nennenswerten Probleme zu haben.
»Gut geschlafen?«, fragte er.
»Der Schlaf war in Ordnung. Nur das Aufwachen macht Probleme.«
»Komm, setz dich, trink einen Kaffee und iss etwas. Dann geht’s dir besser.«
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Das Frühstück tat gut. Emmi
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