Der nasse Fisch
durchaus nicht albern, wenn ein Mieter gegen die Hausordnung verstößt!«
»Was soll denn das schon wieder?« Rath war sich keiner Schuld bewusst.
»Sie sollten Ihren Mietvertrag genauer lesen! Damenbesuche sind ausdrücklich untersagt und können zur fristlosen Kündigung
des Mietverhältnisses führen.«
Daher also wehte der Wind. Aber wieso erst jetzt? Wenn sie Charly gesehen hatte, weshalb hatte sie dann nicht schon letzte
Woche Theater gemacht?
»Ich weiß nicht, wovon du … wovon die Rede ist.«
»Spielen Sie mir doch nichts vor, Herr Kommissar!« Sie lachte aggressiv und hysterisch. Es hörte sich wie ein Wiehern an.
»Oder ziehen Sie so etwas an?« Sie hob einen kunstseidenen Damenstrumpf in die Höhe. Rath erkannte ihn wieder. Den hatte Charly letzten Donnerstag
getragen. Wo hatte die Behnke den bloß gefunden?
»Wie kommen Sie dazu, in meinen persönlichen Sachen herumzuschnüffeln?«
»Herumschnüffeln? Ich habe die Betten neu bezogen! Wie jeden Mittwoch! Und das hier steckte in Ihrem Bettbezug. Können Sie
mir sagen, wie es da hineingekommen ist?«
»Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht, meine liebe Frau Behnke!«
Dieser Streit war seit Tagen überfällig. Wie ein Gewitter, das sich endlich entlädt und eine drückende Schwüle beseitigt.
»Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn Sie eine Dame mit auf Ihr Zimmer nehmen – trotz des strikten Verbotes!«
»Ich wusste nicht, dass das hier ein Kloster ist!«
»Das ist kein Kloster, Herr Rath, aber das ist meine Wohnung! Und wenn Sie sich nicht an meine Regeln halten, dann müssen Sie eben die Konsequenzen tragen!«
Rath trug nicht nur die Konsequenzen, sondern auch seinen Koffer. Er stellte das schwere Teil ab.
»Dann ist das also die Kündigung.«
»Ja.« Sie kramte in ihrer Geldbörse und hielt ihm ein paar Scheine entgegen. »Hier.«
»Was ist das?«
»Die Miete, die Sie noch rauskriegen. Sie haben für diese Woche schon bezahlt.«
»Behalten Sie das Geld.« Er machte Anstalten, an ihr vorbeizugehen.
Sie stellte sich ihm in den Weg. »Wo wollen Sie hin?«
»In mein Zimmer.«
»Das ist nicht mehr Ihr Zimmer.«
»Und meine Sachen?«
»Die habe ich bereits gepackt.«
»Dann lassen Sie mich wenigstens von Herrn Weinert Abschied nehmen.«
»Der ist nicht zu Hause. Gehen Sie jetzt bitte!«
»Was für ein Affentheater!« Es hatte keinen Zweck, sich mit einer hysterischen Elisabeth Behnke zu streiten. Er schüttelte
den Kopf, nahm den Koffer wieder auf und ging zur Tür.
Als er den schweren Koffer und den sperrigen Karton auf die Nürnberger Straße schleppte, hörte er, wie oben das Fenster aufging. Sein Fenster. Elisabeth Behnke schaute hinaus. Geldscheine flatterten auf den Gehweg, ein Damenstrumpf segelte hinterher. Wortlos
schlug sie das Fenster wieder zu.
Sie wollte ihm wohl nichts schuldig bleiben.
Er sammelte die Scheine auf, stopfte den Strumpf in die Manteltasche und stellte sich mit seinen Habseligkeiten an den Straßenrand.
Mein Gott, was für ein beschissener Tag!
Er winkte ein Taxi heran.
Bruno staunte nicht schlecht, als Rath wenig später bepackt wie ein Lastesel in Friedenau vor der Tür stand.
»Hast du immer so viel Gepäck dabei, wenn du jemanden besuchst?«
»Lass mich erst mal reinkommen.« Rath klärte ihn auf, als sie kurz darauf im Wohnzimmer der Wolters saßen. Als Emmi Wolter
hereinkam und ihnen etwas zu trinken auf den Tisch stellte, unterbrach er seine Geschichte für einen Moment. Bruno schüttelte
den Kopf, als er geendet hatte.
»Soll ich mal ein Wort mit Elisabeth reden?«, fragte er. »Vielleicht lässt sich die Sache wieder einrenken.«
Rath wehrte ab. »Nee, lass mal«, sagte er, »ist wahrscheinlich besser so.«
Und das meinte er auch so. Ihr Rausschmiss hatte der peinlichen Komödie der letzten Wochen endlich ein Ende bereitet.
»Ich gehe erst mal ins Hotel, bis ich was Neues gefunden habe«, sagte er. »Kann ich gleich mal telefonieren?«
»Hotel kommt gar nicht in Frage. Du spinnst wohl!« Bruno drehte seinen Kopf zur Seite und rief: »Emmi!«
Emmi Wolter streckte keine drei Sekunden später ihren blonden Kopf durch die Tür.
»Emmi, kannst du das Gästezimmer herrichten? Gereon bleibt ein paar Tage bei uns.«
»Aber gern.« Die treu ergebene Ehefrau verschwand wieder.
Rath protestierte. »Nein, lass mal gut sein, ich will euch keine Umstände machen.«
»Umstände? Von wegen. Ist genug Platz in dieser Wohnung. Und die Speisekammer ist auch voll. Jetzt
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