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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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nicht, dass es sie nicht mehr gibt.
     Das Verbot hat sie nur in die Ecke gedrängt wie ein wildes Tier. Und wenn man ein Tier in die Ecke drängt, beißt es schon
     mal zu.«
    »Ich wünschte, du hättest recht.«
    »Kopf hoch, mein Junge! Schlimm genug, einen Kollegen zu verlieren. Da musst du nicht noch Selbstvorwürfe draufsatteln!«
    Schon am Abend berichteten die Zeitungen groß über den Polizistenmord. Rath hatte sich im Bahnhof Alexanderplatz die Abendausgabe
     des Tageblatts besorgt und in der Bahn gelesen. Zörgiebel spannte Jänickes Tod unverblümt für seine Zwecke ein. Geschickt hatte er es vermieden,
     irgendeinen Verdacht zu äußern, offiziell wurde in alle Richtungen ermittelt. Doch allein wie er den Tatort und die Begleitumstände
     schilderte, legte dies nur einen Schluss nahe: Ein Polizist war Opfer eines kommunistischen Anschlags geworden.
    Die reißerischen Blätter am Zeitungsstand hatten auch entsprechende Schlagzeilen auf ihre Titelseiten geklotzt, zwar als Frage
     formuliert, aber das dürfte an der Wirkung nichts ändern. Das Tageblatt hatte es zwar bei einem einfachen Polizist ermordet belassen, doch unter der trockenen Schlagzeile wurden all die Einzelheiten aufgezählt, die Zörgiebel auf der Pressekonferenz
     verbreitet hatte: dass die Kommunisten heute Morgen in der Nähe des Tatorts zu einer nicht genehmigten politischen Versammlung
     vor dem Liebknechthaus zusammengekommen waren und dass sich die preußische Polizei noch mittags am Tatort als »Arbeitermörder«
     hatte beschimpfen lassen müssen.
    Bruno hatte recht: Selbstvorwürfe brachten nichts. Jänickes Tod hatte allein der zu verantworten, der ihm eine Pistole auf
     die Nase gedrückt und den Abzug durchgezogen hatte.
    Wie gut er mit seinem alten Chef bedient war, hatte Böhm ihm ungewollt bestätigt, dem er vorhin die Akte Wilczek brachte.
     Rath hatte ein Blatt mit ein paar Bemerkungen dazugelegt. Ein paar Hinweise, warum er Jänicke im Milieu der Berolina hatte ermittelnlassen. Ein bisschen war es auch eine Rechtfertigung vor sich selbst gewesen, als er das niederschrieb.
    »Was ist denn das?«, hatte Böhm gefragt und auf das Blatt geschaut, als habe Rath ihm gebrauchtes Toilettenpapier in die Hand
     gedrückt.
    »Ein paar Hinweise zum Verlauf der Ermittlungen …«, setzte Rath an, doch Böhm unterbrach ihn.
    »Junger Freund, ich weiß nicht, ob Ihnen das zur Genüge klar ist«, hatte Böhm ihn angeraunzt, »aber ich leite hier die Ermittlungen. Und ich brauche niemanden, der mir Hinweise gibt!«
    Rath hatte ihm den Ordner auf den Tisch geknallt und war grußlos gegangen.
    So ein Arschloch! Noch jetzt regte er sich auf. Hatte er es nötig, sich so behandeln zu lassen?
    Böhm sollte andere herumschubsen, wenn ihm das Spaß machte, mit Gereon Rath konnte er solche Spiele nicht treiben. Wenn er
     an den selbstherrlichen Mordermittler dachte, freute Rath sich immer mehr auf den Tag, an dem er ihn mit dem Fall Wassermann bloßstellen konnte. Der war jetzt ohnehin auf Eis gelegt, genau wie der Fall Wilczek. Nasse Fische auf Zeit. Ewig konnte
     Zörgiebel das nicht durchhalten. Rath glaubte nicht, dass Kriminalrat Gennat einverstanden war, alle Kräfte seiner Inspektion
     A auf einen einzigen Fall zu konzentrieren. Nun gut, eine Mordermittlung war auch ein Kampf gegen die Zeit; die ersten ein,
     zwei Tage waren erfahrungsgemäß die wichtigsten, erzielte man in dieser Zeit keinen Durchbruch, hieß das normalerweise, dass
     sich das Ganze noch über Wochen hinschleppen und zu einer mühseligen Kleinarbeit werden würde.
    Der Abend verlief anders, als Rath sich das vorgestellt hatte.
    Schon als er in der Nürnberger Straße die Treppe hinaufstieg, sah er den Koffer vor der Wohnungstür stehen. Seinen Koffer.
     Daneben ein großer, mit Kordel verschnürter Karton. Rath schloss die Wohnungstür auf und hob den Koffer hoch. Überrascht stellte
     er fest, wie schwer er war.
    Elisabeth Behnke musste ihn gehört haben. Sie wartete schon im Flur und schaute ihn an, als habe sie Pausenaufsicht in einer
     Klosterschule und er gerade auf den Schulhof uriniert.
    »Was wollen Sie noch hier?«, fragte sie. »Nehmen Sie Ihre Sachen und gehen!«
    Sie siezte ihn wieder. Es schien ernst zu sein. Nur konnte er es nicht ernst nehmen.
    »Der Koffer mag vielleicht täuschen, aber ich wollte nicht auf Reisen gehen«, sagte er, »zufällig wohne ich hier.«
    »Das glaube ich kaum, Herr Rath.«
    »Was sind denn das für Albernheiten?«
    »Es ist

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