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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Wolter kochte noch besseren Kaffee als Elisabeth Behnke.
    Sie fuhren mit dem Ford in die Burg, und Rath fühlte sich fast wie in alten Zeiten. Sie redeten nicht viel während der Fahrt,
     doch Brunos Gegenwart vermittelte ihm das Gefühl, in dieser Stadt nicht allein zu sein. Bruno parkte im Lichthof, und sie
     gingen zusammen in den kleinen Konferenzsaal. Böhm hatte um acht eine Lagebesprechung im Fall Jänicke angesetzt. Sie waren
     mit die Ersten im Raum, der sich langsam füllte. Punkt acht kam Böhm. Wie ein Studienrat, der in den Klassenraum rauscht,
     einen Aktenordner unter den Arm geklemmt. Und dann kam seine Truppe. Rath blieb fast das Herz stehen, als Charly als Letzte
     den Raum betrat und die Tür schloss. Sie setzte sich vorn aufs Podium an einen Tisch und legte Stift und Papier bereit. Rath
     merkte, dass er nicht der einzige Mann im Raum war, der auf ihre Beine schielte. Er fühlte einen kleinen Stich von Eifersucht
     in seiner Brust.
    Ob sie ihn bewusst ignorierte? Wenigstens einen kleinen Blickhoffte er von ihr zu erhaschen – vergebens. Sie schaute beinah pausenlos auf ihren Block, und wenn ihre dunklen Augen einmal
     in den Saal blickten, schienen sie nichts Genaues zu erfassen.
    Böhm hatte angefangen, die bisherigen Erkenntnisse zusammenzufassen, Rath hörte kaum hin. Charly spukte in seinem Kopf herum,
     Charly, Charly, Charly. Die ganze Zeit betrachtete er sie unauffällig aus den Augenwinkeln. Er hatte schon ganz vergessen,
     wie gut sie aussah. Ihm fiel etwas ein, und er wühlte in seiner Manteltasche, bis er fand, was er suchte. Charlys Strumpf
     war immer noch da, wo er ihn gestern hingestopft hatte. Er musste lächeln.
    Eine plötzliche Unruhe im Saal riss ihn aus seinen Gedanken. Böhm hatte seine Ansprache beendet, Aufbruchstimmung breitete
     sich aus, Stühle wurden gerückt, die Kollegen unterhielten sich. Vorne wurden Listen verteilt. Jeder, der hinausging, bekam
     eine. Charly verteilte. Sein Herz klopfte bis zum Hals, als er an ihr vorüberging und sich ihre Hände kurz berührten. Ihr
     Blick blieb so unnahbar, dass es ihm fast wehtat. Obwohl er wusste, dass sie sich hier nicht um den Hals fallen durften.
    »Danke, Fräulein Ritter«, sagte er und ging hinaus.
    Fast hätte er vergessen, sich von Bruno zu verabschieden. Der Kollege grinste, als er sich auf den Weg in die Inspektion E
     machte. Hoffentlich hatte er ihm gestern im Suff nichts erzählt.
    Erst als Rath in seinem kleinen Büro saß, schaute er sich den Zettel genauer an. Ein paar Namen waren darauf abgedruckt, keine
     Ahnung, was er damit sollte. Hätte er mal besser aufgepasst. Aber auch jetzt ging ihm Charly nicht aus dem Kopf. Er versuchte,
     aus der Namensliste schlau zu werden, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte. Alphabetisch geordnet, alle mit demselben Anfangsbuchstaben.
     I.
    Plötzlich klopfte es an der Tür. Er richtete sich auf.
    »Ja, bitte.«
    »Oberkommissar Böhm möchte Ihnen diese Unterlagen zurückgeben.«
    Charly stand in der Tür, lächelte und hielt die Akte Wilczek in der Hand.
    »Oh, treten Sie doch näher. Und schließen Sie die Tür.« Sie gehorchte. »Meine Sekretärin ist heute nicht da, deswegen bin
     ich ganz allein und …«
    Aber da war sie schon bei ihm und hatte ihm ihre Lippen auf den Mund gedrückt. Die Akte Wilczek polterte auf die Schreibtischkante
     und fiel zu Boden.
    Nach einem langen Kuss schauten sie sich eine Weile nur schweigend an und hielten ihre Hände. Er hätte in ihren Augen versinken
     können.
    »Tut mir leid, das mit deinem Kollegen«, sagte sie plötzlich.
    Er zuckte die Achseln. »Wir haben nun mal einen beschissenen Beruf. Mit einem beschissenen Risiko.«
    »Warst du eng mit ihm befreundet?«
    »Ich habe ihn eigentlich kaum gekannt. War ein ziemlich wortkarger Zeitgenosse. Ein Ostpreuße.«
    »Er war jünger als ich, oder?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »In diesem Land glauben zu viele Leute, ihre Angelegenheiten am besten mit Schusswaffen regeln zu können.«
    Er nickte. »Und unsere Aufgabe ist es, ihnen beizubringen, dass das keine Lösung ist. Oder jedenfalls eine, die einen ins
     Gefängnis bringt.«
    Sie schaute sich um. »Hübsch hast du’s hier. Noch ein paar Topfpflanzen, und man könnte es fast gemütlich nennen.«
    Er zog sie zu sich heran und nahm sie in den Arm. »Wir müssen uns öfter sehen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich habe dich vermisst.«
    »Wenn du Sehnsucht hast – ich habe Telefon.«
    Also doch. Sie hatte es ihm übel

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