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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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eben. Journalismus ist ein Tagesgeschäft. Da wird schnell vergessen.«
    »Dann musst du eben dafür sorgen, dass man sich wieder erinnert! Ob ein Fall mit fetten Schlagzeilen auf die Titelseite kommt
     oder ob er auf Seite fünfzehn als Zehnzeiler abgefrühstückt wird, das entscheidet die freie Presse doch immer noch selbst.«
    »Wie stellst du dir das vor? Soll ich gegen die ganze Hauptstadtpresse anschreiben und einen Fall hochjubeln, für den sich
     kein Aas mehr interessiert?«
    »Ist nicht genau das der Skandal? Dass der Polizeipräsident alle laufenden Mordermittlungen einfriert, um sämtliche Kapazitäten
     der Kripo für die Aufklärung des Jänicke-Mordes einsetzen zu können? Ein Unbekannter wird tot aus dem Kanal geholt – nichts
     passiert. Ein Polizist wird erschossen – und schon legt Zörgiebel ganz andere Maßstäbe an. Wäre doch an der Zeit, so etwas
     mal kritisch zu durchleuchten.«
    Weinert pfiff durch die Zähne. »Du hättest Journalist werden sollen. Oder Politiker.«
    Rath hatte gewusst, dass Weinert anbeißen würde. In dem Moment, als er sah, wie der Journalist auf das Stichwort Krasnaja Krepost reagierte, hatte er es gewusst. Sie hatten noch eine Runde Kaffee geordert.
    »Alexej Kardakow also«, begann Weinert. »Als ich vor anderthalb Jahren ungefähr in die Nürnberger Straße zog, wohnte er schon
     da. Den hat man als Nachbarn noch seltener zu Gesicht bekommen als dich. Ich hatte immer das Gefühl, dass er uns Deutschen
     bewusst aus dem Weg geht. Der lebte eigentlich immer noch in Russland. Hatte fast jeden Abend eine kleine russische Kolonie
     zu Gast. Da ging es dann hoch her.«
    »Stimmt, das hat El… das hat Frau Behnke auch erzählt.«
    Weinert stutzte nur einen kleinen Moment, dann redete er weiter. »Hätte sie gewusst, dass sich unter ihrem Dach der Kopf der Roten Festung trifft, hätte sie wahrscheinlich die Polizei geholt.«
    »Kardakow gehört zur Führung der Roten Festung ?«
    »Hätte ich dem Knaben auch nicht zugetraut. Hatte ihn eigentlich immer für einen fleißigen, aber erfolglosen Schriftsteller
     gehalten. Den ganzen Tag klapperte die Schreibmaschine. Dass er auch Politik macht, habe ich erst vor zwei Monaten erfahren.«
    »Kurz bevor er auszog?«
    Weinert nickte. »Da kannten wir uns schon ganz gut. Obwohles ungefähr ein halbes Jahr gedauert hat, bis ich das erste längere, zusammenhängende Gespräch mit ihm führte. Das Papier
     war ihm ausgegangen, und er klopfte bei mir an, um sich welches auszuleihen. Da haben wir uns dann ein bisschen unterhalten,
     eigentlich nur übers Schreiben. Er spricht übrigens ausgezeichnet Deutsch, verfasst aber all seine Texte nur auf Russisch.«
     Weinert machte eine Pause und trank einen großen Schluck Selterswasser. »Tja, und dann habe ich – irgendwann im März muss
     das gewesen sein, es war jedenfalls klirrend kalt – zufällig etwas aufgeschnappt. Das erste Mal, seit ich an der Nürnberger
     Straße wohnte, wurde im Nebenzimmer Deutsch gesprochen. Ich muss zugeben, dass mich das neugierig machte.«
    »Du hast das Gespräch belauscht?«
    »Was soll ich machen? Neugierde ist meine Berufskrankheit. Außerdem wurde da über interessante Dinge geredet, es ging um Geld
     und Politik, soweit ich verstehen konnte. Ab und zu wechselten sie ins Russische, aber meist sprachen sie Deutsch, auch wenn
     einige in der Runde damit ihre Schwierigkeiten hatten. Ich glaube, die Russen hatten einen oder mehrere Deutsche zu Gast und
     gaben sich Mühe, Deutsch zu reden. Die einzigen russischen Wörter, die immer wieder fielen, waren – Krasnaja Krepost .«
    »Die Rote Festung . Und da wusstest du plötzlich, dass das Kommis sind?«
    »Ich hatte keinen blassen Schimmer. Das habe ich alles erst später herausgefunden. Ich habe mir auch nicht viel dabei gedacht.
     Schien übrigens nicht das erste Treffen zwischen den Russen und den Deutschen zu sein.«
    »Was für Deutsche waren das? Politiker?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Geschäftsleute, vermute ich. Die Russen haben mit den Deutschen jedenfalls über Prozente
     geredet, fünfzig Prozent wollten die Deutschen haben, die Russen nur zehn geben. Schließlich haben sie sich bei vierzig getroffen.«
    »Die Russen sind jedenfalls keine Geschäftsleute …«
    »Als sie aufbrachen, habe ich durchs Schlüsselloch geguckt. Konnte aber nicht allzu viel erkennen. Einer der Männer war eherklein und gedrungen und trug einen teuren Pelzmantel. Sah also wirklich nicht aus wie ein Politiker,

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