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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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geben.«
    »Eine persönliche Nachricht.«
    »Der Herr Polizeipräsident empfängt heute niemanden mehr.«
    »Bei mir wird er eine Ausnahme machen.«
    »Das glaube ich kaum. Ich habe strikten Befehl, niemanden durchzulassen.«
    »Sagen Sie ihm, Kommissar Rath wünscht ihn zu sprechen.«
    »Ich …«
    Eine Autohupe unterbrach ihn. Dienstbeflissen eilte der Schupo zum Tor und öffnete beide Flügel. Der Kies knirschte, als ein
     schwerer Maybach langsam aus der Einfahrt rollte. Im Fond erkannte Rath das Gesicht von Zörgiebel, der in irgendwelchen Akten
     las. Er rannte zu dem immer noch langsam fahrenden Wagen und klopfte an die Scheibe. Der Polizeipräsident reagierte nicht.
     Aber der Chauffeur. Er trat aufs Gas.
    Rath rannte ein Stück hinter dem Wagen her, der immer schneller fuhr, bis ein lauter Ruf ihn zurückhielt.
    »Halt, stehen bleiben! Oder ich schieße!«
    Er drehte sich um. Dieser paranoide Schupo hatte tatsächlich seine Pistole gezogen.
    »Hören Sie, das ist ein Missverständnis! Ich muss lediglich den Polizeipräsidenten sprechen. Nehmen Sie doch die Waffe runter!«
    »Sie nehmen besser Ihre Hände hoch , Freundchen!«
    »Mein Gott! Ich bin doch kein Kommunist! Was denken Sie? Dass ich den Wagen des Polizeipräsidenten mit bloßen Händen umwerfen
     will?«
    Der Schupo sagte nichts, er schaute nur irritiert über Raths Schulter. Motorengeräusch, das wieder lauter wurde. Der Maybach
     bremste direkt neben dem Kommissar. Zörgiebel hatte die Scheibe heruntergekurbelt.
    »Hab ich doch richtig gesehen! Mein lieber Rath, was machen Sie denn hier draußen?«
    »Guten Abend, Herr Polizeipräsident. Ich glaube, ich teste gerade unfreiwillig die Reaktionsschnelligkeit Ihrer Wachen.«
    »Nehmen Sie doch Ihre Waffe runter, Wachtmeister! Können Sie keinen Kommissar von einem Attentäter unterscheiden?«
    Zerknirscht steckte der Schupo seine Pistole wieder ein. Endlich wagte Rath es, sich ganz zu Zörgiebel umzudrehen.
    »Eigentlich bin ich hier, weil ich eine wichtige Mitteilung für den Herrn Polizeipräsidenten habe …«
    »Aber Gennat hat mir doch schon alles erzählt. Gute Arbeit, mein Lieber, gute Arbeit! Da müssen Sie doch nicht extra rauskommen!
     Da haben Sie sich meine Worte von letzter Woche aber zu Herzen genommen!«
    »Es geht nicht um den Fall Kardakow, Herr Polizeipräsident. Das heißt, es geht schon um ihn. Um Dinge, die damit zusammenhängen.«
    »Hat das denn nicht Zeit bis nächste Woche? Ich bin auf dem Weg nach Magdeburg. Morgen beginnt der Parteitag, heute Abend
     haben wir ein erstes Treffen.«
    »Es hat keine Zeit, Herr Polizeipräsident. Es ist von höchster Dringlichkeit. Zugleich muss ich um absolute Vertraulichkeit
     bitten.«
    Zörgiebel überlegte einen Moment.
    »Haben Sie genug Geld in der Tasche?«
    »Wie bitte, Herr Polizeipräsident?«
    »Ob Sie genug Geld dabeihaben, um eine Fahrkarte von Magdeburg nach Berlin zu lösen?«
    »Ich denke schon.«
    »Na, worauf warten Sie noch? Steigen Sie ein!«
    Kurz darauf saß Rath neben Zörgiebel auf der bequemen Rückbank des Maybach. Sie hatten den Wagenfond für sich allein. Vorn saßen der Chauffeur und ein Leutnant der Schutzpolizei, von
     ihnen getrennt durch eine dicke Glasscheibe, durch die kein Laut drang. Der Chauffeur peitschte den Wagen über die Chaussee
     nach Potsdam.
    »So, hier sind wir ungestört«, meinte Zörgiebel, der seine Aktenlektüre beendet hatte und bester Laune zu sein schien. »Darf
     ich Ihnen etwas anbieten?«
    Rath staunte. Sogar eine kleine Bar besaß der Dienstwagen des Polizeipräsidenten.
    »Eigentlich trinke ich ja nicht im Dienst«, meinte er. »Aber einen Whisky könnte ich jetzt schon vertragen.«
    »Sie sind jetzt ja nicht mehr im Dienst, mein Lieber«, sagte Zörgiebel und schenkte ein.
    »Wie man’s nimmt. Dies ist ein dienstliches Gespräch.«
    »Ach was! Wir kennen uns gut genug, dass dies als Privatgespräch gelten kann.« Zörgiebel reichte Rath das Whiskyglas und hob
     dann sein eigenes. »Prost, Herr Kommissar!«
    Die Männer tranken. Der Polizeipräsident hatte sich selbst einen Cognac eingeschenkt. Den würde er gebrauchen können, dachte
     Rath. Und wenn er erst einmal mit seiner Geschichte fertig wäre, würde Zörgiebel noch einen zweiten benötigen.
    Rath holte tief Luft, und dann legte er los.
    Keine hundert Kilometer später hatte er alles erzählt. Der Maybach hatte gerade den Ortsausgang von Genthin passiert, und
     der Chauffeur gab wieder Gas. Während der Wagen weiter über

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