Der nasse Fisch
doch dafür fand er in diesem Badezimmer nichts. Er schüttete sich
jede Menge Wasser ins Gesicht und wusch sich auch den Oberkörper, dann gab er ein wenig Zahnpasta auf seinen Zeigefinger,
reinigte sich notdürftig die Zähne und spülte den Mund mit ein bisschen Odol aus.
Sein Spiegelbild sah immer noch nicht besonders vertrauenerweckend aus, aber wenigstens fühlte er sich jetzt frisch.
Er ging in Charlys Zimmer zurück und zog sich an. Mit dem Kamm aus seinem Jackett kämmte er die immer noch feuchten Haare
nach hinten.
Dann ging er in die Küche. Niemand zu sehen. Aber der Frühstückstisch war gedeckt. Die Uhr zeigte halb zehn. So lange hatte
er schon ewig nicht mehr geschlafen.
Er fragte sich, wo Charly wohl sein mochte. Und Greta, ihre Freundin. Dann fiel es ihm ein.
Natürlich! In der Burg! Charly arbeitete doch so gut wie jeden Sonntag.
Er setzte Wasser auf und gab Kaffeebohnen in die Mühle an derWand. Einen Kaffee wollte er noch trinken, und dann ins Hotel fahren und sich frisch machen. Der Opel musste immer noch unten
vor der Tür stehen, es war Zeit, ihn ins Präsidium zurückzubringen. Er musste sich noch eine Geschichte für die Fahrbereitschaft
überlegen, warum er den Wagen über Nacht behalten hatte. Aber da würde ihm schon etwas einfallen. Irgendeine Observierung,
Verfolgung einer verdächtigen Person – der Polizeidienst hielt viele Unwägbarkeiten bereit.
Er hörte, wie sich in der Wohnungstür ein Schlüssel drehte. Kurz darauf steckte Charly ihren Kopf durch die Tür.
»Ausgeschlafen?«, fragte sie und wedelte mit einer Papiertüte. »Ich hab ein paar Schrippen besorgt.«
»Musst du nicht arbeiten?«
»Ich hab Böhm gefragt, ob ich ein paar Überstunden abfeiern kann. Er hat ja gesagt.« Sie setzte sich an den Tisch und riss
die Brötchentüte auf. »Aber du solltest heute besser noch in der Burg erscheinen. Gennat hat wohl schon nach dir gefragt.«
»Das freut den alten Böhm aber, was? Wenn ich Ärger kriege?« Rath goss das kochende Wasser in den Filter.
»Ich glaube, ihr solltet euch mal aussprechen. Wäre besser, wenn ihr zusammenarbeitet, anstatt zu überlegen, wie man dem anderen
eins reinwürgen kann.«
Er stellte die Kaffeekanne auf den Tisch und setzte sich zu ihr. »Vielleicht sollte ich ihm dann auch gleich erzählen, was
ich dir gestern erzählt habe. Wenn man schon mal dabei ist und sich ausspricht.«
Sein Tonfall war unüberhörbar sarkastisch, aber Charly ignorierte das.
»Warum nicht?«, fragte sie.
»Meinst du das im Ernst?«
»Böhm ist vielleicht nicht die richtige Adresse, aber irgendeinem im Präsidium solltest du diese Geschichte erzählen, vielleicht
Gennat.«
»Dem vollen Ernst?«
Sie ignorierte auch den Kalauer. »Jedenfalls irgendeinem, demdu vertrauen kannst. Am besten gehst du gleich zu Zörgiebel. Zu dem hast du doch einen guten Draht, wie man sich erzählt.«
»In der Kantine.«
»Ich meine es ernst, Gereon! Mach reinen Tisch! Das ist deine einzige Chance – wenn du wieder in den Spiegel schauen möchtest,
ohne dabei das Gruseln zu kriegen.«
»Dazu reicht vielleicht eine Rasur.«
»Ich meine es wirklich ernst! Wenn du willst, dass Bruno Wolter seine verdiente Strafe bekommt, wenn du willst, dass diese
ganzen schmutzigen Geschäfte aufhören, wenn du Gerechtigkeit willst, dann musst du mit der ganzen Wahrheit ans Licht. Anders
geht es nicht. Oder willst du dir den Rest deines Lebens vorwerfen, einen Mörder zu decken?«
»Ich habe kaum Beweise. Und so viele Dienstvergehen in ein paar Tagen angehäuft – das schaffen andere nicht mal bis zur Pensionierung.
Ganz gleich, wem im Präsidium ich diese Geschichte erzähle – mit meiner Karriere bei der Polizei ist es dann Essig.«
»Das könnte sein.« Sie sagte das ungerührt. »Wahrscheinlich schmeißen sie dich sogar ganz raus. Das musst du in Kauf nehmen.«
»Guter Tipp, danke! Ich bin aber nun mal Bulle. Was anderes habe ich nicht gelernt.«
»Werde doch Privatdetektiv.«
»Untreuen Ehefrauen hinterherspionieren? Leibwächter für einen Ufa-Star? Die Firma dankt!«
»Manchmal lässt das Leben einem keine andere Wahl.«
»Mensch, Charly! Was habe ich nur für einen Mist gebaut! Hätte ich dir vor ein paar Wochen direkt alles erzählt, wäre es wahrscheinlich
gar nicht erst so weit gekommen.«
»Wäre und hätte, das sind Wörter, die mag ich nicht. Es ist, wie es ist. Sieh den Realitäten ins Auge. Geschehen ist geschehen.«
»Das klingt ganz
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