Der nasse Fisch
die Reichsstraße 1 der Stadt Magdeburg entgegenflog, schenkte
Zörgiebel sich tatsächlich erst einmal einen weiteren Cognac ein und schwieg. Er hatte offensichtlich an dem zu kauen, was
der Kommissar ihm gerade erzählt hatte.
Rath nutzte die Zeit und legte seine Marke, seinen Dienstausweis und die Mauser auf das schwarze Leder.
Zörgiebel schaute ihn entgeistert an. »Was soll denn der Blödsinn? Stecken Sie Ihre Waffe wieder ein! Wollen Sie, dass das
Ding losgeht?«
»Ich möchte den Herrn Polizeipräsidenten bitten, mich aus dem Polizeidienst zu entlassen.«
»Nichts da, so einfach kommen Sie mir nicht davon! Los, nehmen Sie Ihr Zeug vom Sitz!«
Rath steckte die Sachen wieder ein. Erst jetzt bemerkte er Spuren eines weißen Pulvers an dem Ausweis. Mit einer beiläufigen
Bewegung wischte er es ab.
»Ich muss gestehen, es fällt mir schwer, diese Geschichte zu glauben«, meinte Zörgiebel schließlich. »Eine Stahlhelm-Seilschaft,
ein florierender Waffenhandel aus Polizeibeständen, mit dem auch die Nazis aufgerüstet werden?«
Dass einer seiner Beamten nicht davor zurückschreckte, Menschen umzubringen und umbringen zu lassen, schien den Polizeipräsidenten
weniger zu irritieren.
»Rufen Sie Wündisch an«, schlug Rath vor.
»Das werde ich, verlassen Sie sich drauf. Sobald ich in Magdeburg bin. Hat die IA also wieder ihr eigenes Süppchen gekocht!«
»Und dafür einen unerfahrenen Beamten geopfert.«
Zörgiebel schüttelte den Kopf, als könne er es immer noch nicht fassen. »Mein lieber Rath«, sagte er. »Von den Dingen, die
Sie mir da gerade erzählt haben, darf natürlich niemals etwas an die Öffentlichkeit geraten, das ist Ihnen doch klar? Weder
Ihre eigenen Verfehlungen, noch die Waffenschiebereien in unserer Behörde und die politischen Verirrungen einzelner Beamter.«
»Tut mir leid, Herr Polizeipräsident, aber ich sehe keine andere Möglichkeit«, sagte Rath. »Nur wenn wir die ganze Wahrheit
aufdecken, können wir den schwarzen Schafen in der preußischen Polizei das Handwerk legen. Ich biete Ihnen an, aus dem Dienst
auszuscheiden, um als Zeuge gegen Kriminaloberkommissar Wolter vor Gericht aufzutreten.«
» Jetzt hören Sie doch endlich auf mit diesem Blödsinn!Den Dienst quittieren!Denken Sie nicht einmal im Traum daran! Das gestatte ich Ihnen nicht!« Zörgiebel wirkte ungehalten. »Was glauben Sie eigentlich,
was los ist, wenn diese Geschichte an die Öffentlichkeit dringt? Schon wegen der Maiunruhen gibt es einenUntersuchungsausschuss. Gegen die Polizei, nicht gegen die Roten! Was meinen Sie, was erst passiert, wenn herauskommt, dass
einige von unseren Leuten Polizeiwaffen an die Nazis verscherbeln?«
»Wollen Sie so jemanden wie Wolter wirklich ungestraft davonkommen lassen? Nur weil es politischen Ärger geben kann?«
»Davonkommen lassen? Davon kann gar nicht die Rede sein! Wir können nur nicht mit dem Kopf durch die Wand, mein Lieber! Wir
dürfen den Ruf unserer Behörde nicht noch weiter beschädigen.«
»Und was wollen Sie dann tun?«
»Darüber denke ich ja gerade nach! Und glauben Sie ja nicht, dass Sie ungeschoren davonkommen, Herr Kommissar!«
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33
E ine gute halbe Stunde später überquerte der Dienstwagen des Berliner Polizeipräsidenten die Magdeburger Elbebrücken. Hinter
der vieltürmigen Stadtsilhouette ging gerade die Sonne unter. Zörgiebel ließ den Chauffeur vor dem Hauptbahnhof halten.
»Also, Herr Kommissar, Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
Rath nickte. »Ich denke, das ist hinzukriegen. Und was machen wir, wenn er in die Falle tappt?«
»Das überlassen Sie mal mir, mein lieber Rath. Weisen Sie mir nur Wolters Verbindungen zu den Völkischen hieb- und stichfest
nach, am besten mit ein paar eindeutigen Fotos, den Rest erledige ich!«
»An mir soll es nicht scheitern, Herr Polizeipräsident«, sagte Rath und öffnete die Wagentür.
»Dann viel Erfolg!«
»Gleichfalls, Herr Polizeipräsident.«
»Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Rath stieg aus. Der Maybach fuhr wieder an, wendete und hieltauf der anderen Straßenseite vor dem Hotel Continental . Ein Boy öffnete, und Zörgiebel wuchtete seinen Körper aus dem Wagen. Rath schaute dem Polizeipräsidenten nach, bis er im
Hotel verschwunden war. Dann ging er durch das große Mittelportal in den Hauptbahnhof und studierte den Fahrplan. Noch eine
Dreiviertelstunde Zeit, bevor der nächste Eilzug nach Berlin fuhr. Erst einmal besorgte er sich einen
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