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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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als er gehört
     hatte, zwei Russen hätten sich angebrüllt. Wenn es aber stimmte, dass nur einer der beiden Streithähne Russisch gesprochen
     hatte, drängte sich ein anderer Schluss auf. Dann hatte sich eine ähnliche Szene abgespielt wie in der Nürnberger Straße:
     Boris klingelt einen wildfremden Mann aus dem Bett, wieder in der Meinung, es sei Kardakow. Es gibt Streit, Boris schiebt
     ab. Und wird kurz darauf ermordet. Von dem untergetauchten Kardakow, dem jemandzu dicht auf die Pelle gerückt war? Doch welchen Sinn machten dann die Misshandlungen? Welche Informationen hätte Kardakow
     aus ihm herauspressen wollen? Und warum war der Mann an einer Heroinvergiftung gestorben?
    Bevor Rath am Kottbusser Tor die Treppen zum Bahnhof hinaufstieg, trat er missmutig seine Zigarette aus. Man konnte es drehen
     und wenden, wie man wollte, einen Sinn ergab das alles noch nicht. Aber dieses Gefühl kannte er. So war das meist am Anfang
     einer Ermittlung. Das würde sich noch ändern. Er musste Geduld haben. Und er durfte nicht lockerlassen.
    Er stieg in die Bahn und fuhr drei Stationen in Richtung Westen. An der Möckernbrücke stieg er wieder aus. Er wollte sehen,
     wo es passiert war.

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    10
    E r sah es schon, als er den Kanal überquerte. Am Tempelhofer Ufer, dicht an der Brücke, klaffte eine Lücke in der Uferbegrenzung.
     Sie war mit weiß-rot gestrichenen Brettern gesichert. Kaum ein Passant schenkte der provisorischen Absperrung Aufmerksamkeit.
     Rath fummelte seine letzte Overstolz aus der Packung, als er am Tempelhofer Ufer angekommen war, und schaute auf die Uhr.
     Im Schatten der Bäume, die die Uferpromenade säumten, stand eine Bank, auf die er sich setzte. Es sah so aus, als ließe er
     seinen Blick ziellos in die Ferne schweifen, doch er registrierte jede Einzelheit. Links von ihm war das Auto durch die Begrenzung
     gekracht. Einem Baum fehlte ein großes Stück Rinde. Ansonsten schien der Wagen ziemlich genau die Lücke zwischen zwei Bäumen
     erwischt zu haben. Und das mit einem Toten am Steuer! Er versuchte sich vorzustellen, wie das Ganze abgelaufen sein konnte.
     Boris hatte tot im Auto gesessen, mit gebrochenen Händen und Füßen. Wer war dann gefahren? Entweder hatte noch jemand im Wagen
     gesessen, jemand, den sie nicht gefunden hatten, oder aber irgendwer musste das Gaspedal eingeklemmt haben. Rath hätte nur zu
     gern mehr Details der Ermittlungen gekannt. Aber außer dem, was er im Leichenschauhaus gehört hatte, und dem wenigen, was
     in den Zeitungen stand, wusste er nichts.
    Er stand auf und schlenderte ein wenig umher. Er überquerte die Straße und schaute sich die Häuser am Tempelhofer Ufer an.
     Alles ganz passable Mietshäuser, sah nicht aus wie eine Verbrechergegend. An der Brücke, auf der anderen Seite der Möckernstraße,
     stand ein Kiosk, sonst gab es hier keine Geschäfte, nur Wohnhäuser, Büros und den Güterbahnhof. Rath ging langsam an den Hauseingängen
     vorbei und kontrollierte die Namen auf den Briefkästen. Ein Kardakow war nicht dabei, er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet.
    Hinter dem Kiosk begann das Betriebsgelände des Anhalter Güterbahnhofs, wahrscheinlich versorgte das Büdchen vor allem die
     Bahnarbeiter mit Zigaretten, Zeitungen und Bier. Rath ging hinüber, er hatte nichts mehr zu rauchen. Außerdem waren Kioskbetreiber
     oft dankbare Gesprächspartner für einen Polizisten, sie bekamen eine ganze Menge mit.
    »Overstolz, fünf Sechserpackungen«, sagte er, nachdem er die Gestalt im Dunkel des Bretterverschlags mit einem kurzen Nicken
     begrüßt hatte. Der Mann war ziemlich dick und wirkte, als sei er in seinem Kabuff festgewachsen. Rath hätte sich nicht gewundert,
     wenn er festgestellt hätte, dass der massige Oberkörper auf ein Drehgestell geschraubt wäre. So jedenfalls sah es aus, als
     der Dicke sich nach hinten drehte und fünf Schachteln Overstolz aus dem Regal holte. Wahrscheinlich saß er auf einem Bürodrehstuhl,
     doch von dem war nichts zu sehen.
    »Einsfuffzich«, sagte er. »Auch Feuer?«
    Rath nickte und überlegte, wie er mit dem Mann unverkrampft ins Gespräch kommen könnte.
    »Bitte.« Der Dicke reichte ihm eine Streichholzschachtel. »Hat Sie jemand versetzt?«, fragte er unvermittelt, als er das passend
     abgezählte Geld entgegennahm.
    Rath schaute den Mann fragend an.
    »Na, das hat so ausgesehen, wie Sie da vorhin gewartet haben und niemand gekommen ist.«
    »Na ja«, machte Rath, während er sich die erste

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